Auktionen in Paris : Klingt, als wäre all das nur ein seltsamer Traum
- -Aktualisiert am
Taxe bis 3,4 Millionen Euro: René Magritte, „La leçon de musique“, 1965, Öl auf Leinwand, 40,4 mal 30,4 Zentimeter Bild: Sotheby’s/VG Bild-Kunst, Bonn 2023
Die jährliche Surrealismus-Auktion wird bei Sotheby’s in Paris zur festen Einrichtung. Deutscher Expressionismus aus der Sammlung Ehret ergänzt das Angebot.
Im vergangenen Frühjahr hat Sotheby’s in Paris zum ersten Mal eine dem Surrealismus und dessen Umfeld gewidmete Auktion organisiert, nun ist sie als jährlicher Termin etabliert. Unter dem Titel „Surrealism and Its Legacy“ kommen am 15. März 23 Lose mit einer Gesamterwartung von 20 bis 29 Millionen Euro unter den Hammer.
An der Spitze der Offerte steht ein ungewöhnliches Gouache-Gemälde Francis Picabias mit dem Titel „Novia“ (Braut), taxiert auf 2,5 bis 3,5 Millionen Euro. Die auf Leinwand aufgezogene Papierarbeit entstand 1916/17, als Picabia noch der Dada-Bewegung nahestand. Mit Marcel Duchamp war er 1915 vor dem Ersten Weltkrieg nach New York geflohen. Die industrielle Fortschrittlichkeit der Großstadt inspirierten Picabia zu seiner durchaus humorvollen „mechanischen Periode“. „Novia“ zeigt auf braunem Hintergrund zwei Räder, die an eine Lokomotive erinnernd und durch einen Stangen- und Röhrenmechanismus – oder ein Triebwerk im vielleicht doppelten Sinn – miteinander verbunden sind. Die „Braut“ des Titels ist zu einem ironisch-poetischen Konzept geworden.
Es wundert kaum, dass die Gouache einst Duchamp gehörte und danach dem Surrealismus-Papst André Breton. Vier weitere Werke Picabias sind im Angebot, darunter das zu „Novia“ völlig gegensätzliche Gemälde „Quatre femmes au bord de l’eau“. Picabia malte es 1942 nach einer Fotogafie in einem realistischen Stil, der die Pop-Art schon vorausahnen lässt (Taxe 1/1,5 Millionen Euro).
René Magritte gehört zu den Stars des Surrealismus. In Paris kommen drei seiner Werke zum Aufruf. Das Gemälde „La leçon de musique“ von 1965 verbindet, wie für Magritte charakteristisch, einander eigentlich fremde Bildelemente, um sie in einem Landschaftsraum in metaphorischen Bezug zu setzen: Ein terrakottafarbenes Ohr mit angehängter Glocke schwebt wie eine geträumte Montgolfiere in einem immensen Himmel. Magritte verehrte Jan Vermeer, und so kann das Gemälde auch als surrealistische Anspielung auf die „Musikstunde“ des holländischen Meisters interpretiert werden. Der Schätzpreis liegt bei 2,3 bis 3,5 Millionen Euro.
Andy Warhols „The Two Sisters (After de Chirico)“ von 1982 zeugt wiederum von der Bewunderung, die der amerikanische Künstler italienischen Surrealisten zollte. Warhol verarbeitet die Umrisse der enigmatischen Maskenköpfe von de Chiricos „Oreste e Pilade“ zu einer farbintensiven Serigraphie (2/3 Millionen). Weitere Werke im Angebot kommen von Salvador Dalí, Yves Tanguy oder Max Ernst, mit Taxen zwischen 600.000 und 1,5 Millionen Euro.
Ebenfalls am 15. März wird in Paris die Sammlung von Robert und Helga Ehret versteigert. Der im vergangenen Jahr verstorbene deutsche Bankmanager teilte mit seiner Frau ein besonderes Interesse an Kunst und Kultur. Die Sammlung mit 59 Losen – Gemälde, Zeichnungen, Skulpturen und Druckgrafik –, für die insgesamt etwa 3 bis 4 Millionen Euro erwartet werden, entstand von den Siebzigerjahren an. Selbst wenn einige französische Künstler der Moderne wie Edgar Degas, Edouard Vuillard, Paul Gauguin oder Pierre Bonnard mit Arbeiten auf Papier vertreten sind, liegt der Schwerpunkt auf deutschen Künstlern des Expressionismus: Lyonel Feininger, Karl Schmidt-Rottluff, Ludwig Kirchner, Emil Nolde und Erich Heckel.
Von Franz Marc wird ein auf Karton aufgezogenes Tempera-Gemälde auf Papier mit einem rosafarbenen Stier von 1911 aufgerufen, der sich wie eine sanfte Masse ins Bild schiebt. Kuh- und Stiermotive sind sehr präsent in Marcs Werk, wie die berühmte „Gelbe Kuh“ aus demselben Jahr zeigt. Der „Stier“ der Ehret-Sammlung wird mit 300.000 bis 400.000 Euro bewertet.
Auf Auktionen in Frankreich finden sich nur selten Werke des deutschen Expressionismus oder der Bauhaus-Künstler; auch insofern werden die Ergebnisse der Versteigerung von besonderem Interesse sein. Das Spitzenlos der Sammlung ist „Old Gables IV“ von Feininger, das 1941 im amerikanischen Exil entstand (500.000/700.000). Die mittelalterliche Häuserreihe, die den Künstler an sein verlorenes Land erinnerte, wurde 1944 bei seiner Retrospektive im New Yorker Museum of Modern Art gezeigt.
Bemerkenswert sind zwei in ihrem Ausdruck fast zwillingshafte Gemälde von Ernst Wilhelm Nay und Emil Nolde: Nays „Mit fünf grünen Punkten“ von 1956 lässt in seiner abstrakten Farbenfreude an eine expressionistische Blumenwiese denken (400.000/600.000). Einen ähnlichen Überschwang strahlen Emil Noldes pastose „Stiefmütterchen“ von 1908 aus. Sie sind nahezu abstrakt in ihrer farblichen Blütendichte (350.000/550.000).