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Prozess um „Salvator Mundi“ : Weltretter vor Gericht

Angezweifelt und im Zentrum gleich mehrere Affären: der angeblich von Leonardo gemalte „Salvator Mundi“ Bild: AFP

Es geht wieder einmal um den „Salvator Mundi“, das teuerste Bild der Welt: Auch seinetwegen hat der betrogene russische Milliardär Dmitri Rybolowlew in New York geklagt – gegen Sotheby’s. Nun soll es zu einem Prozess kommen.

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          Der „Salvator Mundi“ als teuerstes Kunstwerk der Welt und ein russischer Milliardär; ein gefallener König der Zollfreilager als Betrüger im Hintergrund und ein in den Vordergrund gedrängtes internationales Auktionshaus: Mehr Kunstmarkt-Starbesetzung ist kaum möglich, und ein Prozess vor einem Geschworenengericht in New York soll sie aufbieten. So hat es Bezirksrichter Jesse Furman nach einer Klage von Dmitri Rybolowlew beschieden – sollten die Parteien sich nicht zuvor außergerichtlich einigen.

          Ursula Scheer
          Redakteurin im Feuilleton.

          Danach aber sieht es nicht aus, und so wird der seit nunmehr acht Jahren von Monaco bis Singapur rund um den Globus erbittert ausgefochtene Rechtsstreit zwischen dem Oligarchen und seinem ehemaligen Händler, dem Schweizer Kunstspediteur und -dealer Yves Bouvier, wohl in die nächste Runde gehen. Rybolowlew, der seinen Reichtum dem Bergbau verdankt, in Besitz eines zy­priotischen Passes sowie des Fußballvereins AS Monaco ist und nicht unter Sanktionen steht, wirft Bouvier vor, ihn zwischen 2003 und 2014 um 1,2 Milliarden Euro betrogen zu haben: bei Transaktionen rund um 38 Kunstwerke. Darunter war auch der 2017 für den atemberaubenden Preis von 450,3 Millionen Dollar verkaufte „Salvator Mundi“, der nach seiner Versteigerung bei Christie’s in New York in die Vereinigten Arabischen Emirate ging – und seitdem nicht mehr gesichtet wurde.

          Nicht Bouvier, gegen den Rybolowlew derzeit etwa in Genf juristisch vorgeht, oder das Auktionshaus, das den Megadeal um das an­geblich von Leonardo stammende, stark restaurierte und 1958 noch für 45 Pfund versteigerte Tafelbild ein­fädelte, zieht der Milliardär in New York vor Gericht, sondern Sotheby’s. Bei diesem Auktionshaus machte der „Salvator Mundi“ im Jahr 2013 eine wertsteigernde Zwischenstation: Sotheby’s vermittelte den Privatkauf, in dem Bouvier für Rybolowlew das Gemälde zum Preis von angeblich 83 Millionen Dollar erwarb – und den Russen anschließend 127,5 Millionen zahlen ließ. Die Differenz behielt Bouvier ein, und nach dieser Masche strickte er zahlreiche weitere seiner hochlu­krativen Geschäfte.

          Dmitri Rybolowlew, hier mit Bildern von Picasso, deren Kauf gleichfalls die Gerichte beschäftigte
          Dmitri Rybolowlew, hier mit Bildern von Picasso, deren Kauf gleichfalls die Gerichte beschäftigte : Bild: AFP

          In der aktuellen Klage beschuldigen Rybolowlews Anwälte Sotheby’s nun, Bouvier in fünfzehn Fällen „geholfen und ihn dabei begünstigt“ zu haben, den Oligarchen bei der Vermittlung überteuerter Bilder zu betrügen. Mit Blick auf elf Kunstwerke sieht der Richter keine hinreichenden Belege für eine womöglich zweifelhafte Rolle von Sotheby’s; bleiben vier Verkäufe: der des „Salvator Mundi“, von René Magrittes „Le Domaine d’Arnheim“, von Gustav Klimts „Wasserschlangen“ und Amedeo Modiglianis „Tête“. Insgesamt geht es immer noch um einen mutmaßlichen Schaden von 200 Millionen Dollar – und letztlich die Be­ziehung Bouviers zu dem Unternehmen, mit dem er der Klage nach mehr als achthundert Transaktionen abwickelte, und zu führenden Mitarbeitern der Abteilung für Privatverkäufe wie etwa Samuel Valette.

          Dass Rybolowlew, der mit dem Weiterverkauf des „Salvator Mundi“ übrigens einen Schnitt von 300 Millionen Dollar machte, betrogen wurde, stellt Sotheby’s nicht in Abrede, verneint aber entschieden jegliches Wissen um und folglich jedweden Anteil an Bouviers Vorgehen. „Sotheby’s ist erfreut, dass das Gericht in seinem Urteil im Schnellverfahren die meisten Ansprüche der Kläger aus Mangel an Beweisen abgewiesen hat“, heißt es in einer Stellungnahme – und selbstbewusst weiter: „Sotheby’s wird sich in diesem Fall weiterhin energisch verteidigen“ und freue sich da­rauf, „vor Gericht zu gewinnen.“ Dieses Statement wischt den begütigenden Rat des Richters, doch möglichst einen „teuren, riskanten und potentiell für alle Seiten beschämenden Pro­zess“ zu vermeiden, beiseite.

          Bouvier hat zu seiner Verteidigung immer vorgebracht, nicht als Rybolowlews Agent, sondern als auf eigene Rechnung arbeitender Händler tätig gewesen zu sein. Das sieht sein früherer Geschäftspartner Rybolowlew allerdings ganz anders: Bouvier hat sich ihm gegenüber wohl stets nur als Mittelsmann, nicht aber als Besitzer der Bilder, die er dem ru­ssischen Milliardär zum Kauf antrug, zu erkennen gegeben. Was den Deal um den „Salvator Mundi“ betrifft, will der daran beteiligte Sotheby’s-Mann Va­lette nicht gewusst haben, welches doppelte Spiel Bouvier spielte, als er das Kunstwerk in einem New Yorker Penthouse Rybolowlew präsentierte. Drehbuchautoren dürften längst mitschreiben: Die immer neuen Wendungen der abgründigen Kunstmarktsaga um den „Salvator Mundi“ sind schon jetzt serienreif.

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