Illegaler Kunsthandel : Schmugglerware überall
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Sichergestellt: antike Marmorbüste in Händen der spanischen Polizei Bild: Interpol
Bei einer europaweiten Razzia haben Ermittler Tausende gestohlene Kulturgüter sichergestellt. Der Ermittlungserfolg zeigt, wie groß das Problem des illegalen Kunsthandels ist.
Kulturgüter sind heiße Ware, der illegale Handel mit ihnen ist ein Megageschäft: Schätzungen des FBI und der UNESCO zufolge liegt der Jahresumsatz des weltweiten Schwarzmarkts für Kunst und Antiquitäten bei zehn Milliarden Dollar, womit das Dunkelgeschäft gleich hinter dem widerrechtlichen Drogen- und Waffenhandel steht. Das organisierte Verbrechen geht mit allen dreien Hand in Hand. Hehlerei mit Kunst und Antiquitäten hilft Mafiaaktivitäten, Terror und Krieg zu finanzieren – und profitiert selbst von bewaffneten Konflikten, die mit der Zerstörung und Plünderung von Kulturstätten einhergehen, wie im Nahen Osten oder mit der Ukraine. Die Pandemie hat das Verschieben geraubter oder auch gefälschter Ware nicht eingedämmt, sondern befeuert.
Ein Schlaglicht darauf, was auf unserem Kontinent alles unterwegs ist, wirft die jährlich und nun zum siebten Mal ausgeführte „Operation Pandora“, eine von Europol und Interpol unterstützte, von der spanischen Guardia Civil geleitete Razzia der Ermittlungsbehörden in vierzehn europäischen Ländern, zu denen Deutschland nicht gehört. Verstärkte Kontrollen bei Händlern, an Grenzübergängen und auf Onlineplattformen von Mai bis Oktober 2022, deren Ergebnisse jetzt bekannt gegeben werden, brachten reiche Beute zum Vorschein: An die elftausend gestohlene Artefakte wurden sichergestellt, sechzig Personen festgenommen, 130 Ermittlungen laufen noch. Allein im Internet konnten mehr als viertausend gesetzeswidrig erworbene Objekte ausgemacht werden, darunter viele Antiken.
In Spanien beschlagnahmten die Behörden eine antike Marmorbüste, die wohl eine Nichte Kaiser Trajans darstellt. In Polen und Rumänien stellten sie Tausende antike Münzen sicher; auf einer Poststelle in Bosnien-Hercegovina dreizehn Antiken aus Russland, auch Schmuck. Objekte aus dem christlich-religiösen Umfeld bildeten einen weiteren Schwerpunkt. Italienische Ermittler entdeckten online wertvolle Bücher, die aus einer Klosterbibliothek entwendet worden waren. Ihre portugiesischen Kollegen konnten an die fünfzig Skulpturen und andere Artefakte, die wohl bei Kirchendiebstählen in Nordportugal erbeutet worden sind, aus dem Verkehr ziehen. In Griechenland fanden die Ermittler gestohlene Ikonen und liturgisches Gerät bei einer Hausdurchsuchung.
Solche Fahndungserfolge unterstreichen, wie wichtig internationale Zusammenarbeit beim Kampf gegen die grenzüberschreitenden Kunstraubzüge sind –, und stehen doch einer überwältigenden Anzahl unentdeckt bleibender Hehlerware gegenüber. Sie aufzuspüren, sollen immer raffiniertere Techniken helfen, wie eine vom Fraunhofer-Institut entwickelte, KI-basierte App, deren Bilderkennung nicht nur prüft, ob ein antikes Objekt in einer Datenbank als gestohlen gespeichert ist, sondern eine Einschätzung über Alter und Herkunft abgibt. Nie erfasste Stücke aus Raubgrabungen, so das Ziel, könnten Fahndern damit leichter ins Netz gehen.
Per Klick lässt sich das globale Problem des Kunstschmuggels nicht lösen, zu raffiniert sind die Netze der Hehler gesponnen, die bis in renommierte Museen reichen – Ermittlungen gegen den einstigen Generaldirektor des Pariser Louvre und Rückgaben aus dem Metropolitan Museum of Art in New York offenbarten es jüngst. An der Durchsetzung von Kulturschutzgesetzen sind viele beteiligt: staatliche Organe, Handel, Museen – und private Kunstliebhaber, die sich nicht zum Kauf von Stücken unklarer Herkunft verführen lassen dürfen. Der illegale Kunsthandel wird nicht verschwinden, doch man kann ihn eindämmen, so gut es geht. Im Mythos dringt aus der Büchse der Pandora nicht nur alles Übel. Sie enthält auch die Hoffnung.