New Yorker Vorschau : Lob der Beschleunigung
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Die Zeitgenossen in den New Yorker Auktionen bei Christie’s, Sotheby’s und Phillips heizen die Stimmung an. Es gibt kühle Blue Chips – dazu als Gäste einen verträumten Leonardo und einen feurigen Ferrari.
Die Höhepunkte der New Yorker Auktionswoche sind, inzwischen üblich, die Abendveranstaltungen mit Zeitgenossen bei Christie’s, Sotheby’s und Phillips.
Zum Auftakt am 15. November geht Christie’s mit 58 Losen an den Start, denen insgesamt 410 Millionen Dollar zugetraut werden. Die höchste Erwartung des Herbsts überhaupt verbindet sich mit Los 9B, dem „Salvator Mundi“ des Leonardo da Vinci (F.A.Z. vom 14. Oktober): Vor dem Hintergrund einer juristischen Auseinandersetzung zwischen dem aktuellen Eigentümer Dimitri Rybolovlev, einem aus Russland stammenden Investor, und dem Genfer Kunsthändler Yves Bouvier kommt das stark restaurierte Ölbild auf Holz, wie berichtet, jetzt zur Versteigerung, versehen mit einer Schätzung von hundert Millionen Dollar – deutlich unterhalb der 127,5 Millionen Dollar, die Rybolovlev vor einigen Jahren dafür an Bouvier bezahlte. Die 66 mal 46 Zentimeter große Tafel kommt mit einer third party guarantee, das heißt, Christie’s hat für den Weltenretter bereits einen Käufer, der ihn zu einem nichtöffentlichen Preis übernimmt, sollte es kein höheres Gebot geben.
Zahlreiche Werke durch Garantien abgesichert
Dass Leonardos Zeitgenossenschaft fünf Jahrhunderte zurückliegt, kann als Pointe durchgehen, im Verein mit Andy Warhols „Sixty Last Suppers“: Der fast zehn Meter breite Siebdruck hat als Vorlage eine Reproduktion von Leonardos „Abendmahl“. Die mehr als hundert Variationen des Motivs entstanden im Jahr vor Warhols Tod. Auf Anfrage lautet der Preis fünfzig Millionen Dollar, und auch dieses Werk ist durch eine dritte Partei abgesichert.
Weiter sind im Angebot ein früher und ein später Cy Twombly: „Sunset“ aus dem Jahr 1957 erinnert an vom letzten Sonnenlicht beleuchtetes Gras (20 Millionen). Ein fast drei mal fünf Meter großes „Untitled“ von 2005 strotzt vor roter Lebenskraft, auf Anfrage beziffert mit vierzig Millionen Dollar. Auch Mark Rothko kommt im Doppelpack: das gelbe „Saffron“ von 1957 (Taxe 25/35 Millionen Dollar) und ein rot-gelbes „Untitled“ von 1969 (10/15 Millionen). Hochdotiert sind Basquiats „Il Duce“ vor Goldgrund von 1982 (25/35 Millionen) und Franz Klines „Light Mechanic“ von 1960 (um 20 Millionen), das wie Muskelstränge wirkt. Ergänzt wird die Offerte mit der menschengroßen bronzenen „Spinne II“ von Louise Bourgeois aus dem Jahre 1995, Allegorie der Mutter, webend und wie auf Stilettos zugleich (10/15 Millionen). Auch Twomblys „Sunset“, Basquiat, Kline und Bourgeois sind mit Garantien versehen.
Den mit 74 Losen umfangreichsten Katalog legt Sotheby’s für den Abend des 16.Novembers vor; die Gesamterwartung liegt bei 256 bis 352 Millionen Dollar. Mit einer Schätzung von 35 bis 45 Millionen Dollar ausgezeichnet ist Francis Bacons typisches Porträt-Triptychon „Three Studies of George Dyer“ aus dem Jahr 1966. Die je nur rund 35 mal dreißig Zentimeter kleinen Gemälde, die Bacons Partner und Muse zeigen, kommen nun nach fünfzig Jahren wieder an die Öffentlichkeit. Unter den vier Warhols bei Sotheby’s befindet sich auch ein monumentales „Mao“-Porträt in Blautönen von 1972, taxiert auf dreißig bis vierzig Millionen Dollar, und eine „Last Supper“-Variante in roten Camouflagetönen, gerade einen Quadratmeter groß (4/6 Millionen). Sowohl der Bacon wie die Warhols tragen Garantien.
Zu den Blue Chips des Abends gehören Jean Dubuffets Pariser „Maison Fondée“ (12/18 Millionen) und ein „Female Head“ von Roy Lichtenstein (10/15 Millionen). Für eine Bronze-„Spinne IV“ von Louise Bourgeois werden, wie bei der Konkurrenz, zehn bis fünfzehn Millionen Dollar erwartet und für einen teuflischen Basquiat „Cabra“, entstanden 1981/82, neun bis zwölf Millionen. In Alberto Burris abstrakt düsterem „Nero Plastica L.A.“ von 1963 evoziert verbranntes und blasig geschmolzenes Plastik die Melancholie versehrter Kriegslandschaften. Es ist das größte Bild der „Nero Plastica“-Serie, auf Anfrage soll es mehr als zehn Millionen Dollar kosten.
Von der Rennstrecke zum Kunstobjekt
Unter den 24 Losen der Diamonstein-Spielvogel-Sammlung mit dem Titel „Magnificent Gestures“ befinden sich allein sieben Papierarbeiten von Jasper Johns (Taxen von 500 000 bis 3,5 Millionen). Und es gibt noch ein elegantes Novum bei Sotheby’s: Als Los55 ist der rote Ferrari F2001 aufgeführt, mit dem Michael Schumacher einen seiner Siege beim Grand Prix von Monaco einfuhr. Vier bis 5,5 Millionen Dollar sind für die – wie Umberto Boccioni es formuliert hätte – einzigartige Form der Geschwindigkeit im Raum mindestens anzulegen.
Bei Phillips werden am Abend des 16. Novembers insgesamt 44 Lose des 20. Jahrhunderts und der Gegenwart aufgerufen. Am höchsten bewertet ist Peter Doigs stilles „Red House“ von 1995/96 mit achtzehn bis 22 Millionen Dollar. Es folgt Franz Klines „Sawyer“ aus dem Jahr 1959 mit zehn bis fünfzehn Millionen. Robert Motherwells „A Sculptor’s Picture, with Blue“ von 1958 ist mit zwei bis drei Millionen Dollar verzeichnet. Eine Besonderheit ist Paul Klees „Erinnerung an Erlittenes“ aus dem Jahr 1931, das durch die Hände von Heinz Berggruen an Baron Elie de Rothschild kam, nun eingeliefert von einem Erben (600 000/ 800 000). Von Sigmar Polke gibt es eine gerasterte Dame „Ohne Titel“ in Unterwäsche und Stay-ups aus dem Jahr 1998 (2/3 Millionen) und die Arbeit „Ich will den Stall ausmisten“ aus dem Jahr 2000 (700 000/ 1Million).
Phillips bietet außerdem eine Riege schlafender junger Frauen: Matisses
„Jeune fille dormant à la blouse roumaine“ von 1939 (1,2/1,8 Millionen) und die „Jeune fille accoudée“ von 1938 (um 1 Million). Es sind feine hingehauchte Zeichnungen, wie auch Picassos geschwungen ruhende Françoise Gilot als „Portrait de femme endormieIII“ von 1946 (1/1,5 Millionen).