New Yorker Altmeisterauktionen : Die Kunst, Wählerische zu überzeugen
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Zum Rekordpreis von 14 Millionen Dollar, aber für weniger als erwartet bei Christie’s zugeschlagen: Goyas Doppelporträt von Doña Leonora Antonia Valdés de Barruso und ihrer Tochter (1805) Bild: Christie’s
In New York zeichnen die Auktionen Alter Meister ein gemischtes Bild des Marktes: Das Geschäft ist schwieriger geworden, doch Herausragendes wird immer noch zutage gefördert – und gewinnbringend verkauft.
Bei den Altmeisterversteigerungen der letzten Jahre waren es auch schon vor der Pandemie weniger die Bieter im Saal als an den Telefonen und zunehmend auch Online-Interessenten, die den Ton angaben. Als jetzt in der New Yorker Altmeisterwoche ein wiederentdecktes Jünglingsporträt des Florentiner Manieristen Bronzino bei Sotheby’s zum Aufruf kam, erlebte der Saal, was der Abteilungsleiter Alex Bell einen „altmodischen Auktionsmoment“ oder die Art von Theater nennt, die nur außergewöhnliche Lose erzeugen.
Die Urheberschaft des an die Erben der jüdischen Sammlerin Ilse Hesselberger restituierten Tafelgemäldes, das nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland diverse offizielle Räumlichkeiten ausstattete, darunter des Bundeskanzleramts in Bonn und der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft in Berlin, war im Laufe der Zeit verwischt worden – bis Sotheby’s sie nun rekonstruierte. Nach längerem Gefecht zwischen sechs Steigerern sicherte sich ein Saalbieter für neun Millionen Dollar, eine Million mehr, als Bronzinos mit bis zu 12 Millionen Dollar taxierter rotbärtiger junger Mann 2015 bei Christie’s erzielt hatte. Der Erlös kommt jüdischen Wohltätigkeitsorganisationen zugute.
Den Spitzenpreis der Woche brachte Rubens’ blutrünstige und erotisch aufgeladene Salome mit dem Haupt Johannes des Täufers, eines von zehn hochkarätigen Barockgemälden aus der nach 1995 von dem Immobilienunternehmer Mark Fisch zusammengetragenen Sammlung, die jetzt scheidungsbedingt aufgelöst wird. Der einzige Bieter auf den Rubens erhielt am Telefon bei 23,5 Millionen Dollar den Zuschlag, 1,5 Millionen Dollar unter dem niedrigsten Schätzwert. Es war eine sogenannte White Glove Sale, bei der jedes Los Absatz fand, trotz starken Interesses von internationalen Museen und Sammlern allerdings nicht immer auf der Höhe der Taxen und nicht immer mit Gewinn.
Ankauf für die National Gallery
Dass Qualität auch ohne große Namen überzeugt, beweist der beim Lesen eingeschlafene, rembrandteske junge Mann, der für 750.000 Dollar, etwas über der Höchstschätzung, ans schwedische Nationalmuseum ging. Die Londoner National Gallery konnte dank ihres amerikanischen Freundeskreises nahe der Obertaxe das erfolgreiche Gebot von 3,2 Millionen Dollar für ein Bildnis des heiligen Bartholomäus von Bernardo Cavallino abgeben. Die allesamt garantierten und durch unwiderrufliche Gebote gesicherten Lose, die gesondert versteigert wurden, blieben mit einem Gesamterlös von knapp 42 Millionen Dollar netto leicht hinter den Erwartungen zurück.
Bei beiden Häusern ergaben die Auktionen von Gemälden und Zeichnungen ein gemischtes Bild, das auf eine äußerst wählerische Kundschaft in einem Markt weist, der trotz pessimistischer Einschätzungen in Hinblick auf schwindendes Spezialistentum und Mangelware immer noch Herausragendes zutage fördert und starke Ergebnisse zu erwirtschaften vermag. Beispielhaft dafür war die Ölskizze Anthonis van Dycks mit dem hageren heiligen Hieronymus, die vor mehr als zwanzig Jahren verdreckt in einer amerikanischen Scheune aufgefunden worden war und bei Sotheby’s 2,5 Millionen Dollar einspielte.
Der Konkurrent Christie’s, der nach der Verlegung der Altmeisterauktionen in die im Frühjahr stattfindende Classic Week erstmals seit 2016 wieder mit einem Januar-Angebot auftrat, setzte mit 14 Millionen Dollar für die frisch auf den Markt kommenden Porträts der Doña Leonora Antonia Valdés de Barruso und ihrer Tochter aus dem Jahr 1805 einen neuen Auktionsrekord für Francisco de Goya. Der Preis lag jedoch unter der Prognose. Gleiches galt für Turners mit bis zu sechs Millionen Dollar veranschlagte Darstellung der Villa des Dichters Alexander Pope, für die der Hammer bei 3.8 Millionen Dollar fiel.
Das Experiment, die 76 Lose aus der Sammlung des rätselhaften Schweizer Finanzmannes Jacqui Safra ohne Reserven anzubieten, scheint sich für Christie’s mit einem White-Glove-Ergebnis ausgezahlt zu haben, ungeachtet einiger die Taxen weit verfehlender Erträge. Bei Sotheby’s entschädigte für manche Enttäuschung die von einem halben Dutzend Interessenten bebotene Federzeichnung Wenzeslaus Hollars. Der Blick über die Dächer Londons wurde einem amerikanischen Sammler für 650.000 Dollar zugeschlagen, mehr als das Zehnfache der Untertaxe.