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Erbe der Wittelsbacher : Bilder und Silber, heimgeholt nach Bayern

  • -Aktualisiert am

Porträts von Joseph Stieler und Silber von der königlichen Tafel: Objekte der Wittelsbacher aus dem ungarischen Schloss Nádasdy werden im Auktionshaus Neumeister in München versteigert.

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          Sechzehn Gespanne zählte der Wagentreck, mit dem Prinz Ludwig von Bayern Schloss Nádasdy in Sárvár verließ, kurz bevor die Rote Armee 1945 in Westungarn einmarschierte. Als Gegner des NS-Regimes waren seine Eltern mit Söhnen und Töchtern dorthin übersiedelt. Schon früher aber verband die Familie viel mit Sárvár; Ludwigs Großmutter, Königin Marie Therese aus dem Haus Österreich-Este, hatte 1875 den großen Besitz geerbt, den sie mit ihrem Ehemann, König Ludwig III. von Bayern, zum land- und forstwirtschaftlichen Musterbetrieb mit tausend Beschäftigten ausbaute. Alte Fotografien erzählen von den Familienaufenthalten im schönen Transdanubien mit Jagden, mit Ausritten auf Pferden des eigenen Gestüts und Musikabenden im Schloss Nádasdy, einer burgartigen Renaissance-Anlage mit prächtiger barocker Raumdekoration. Bei seinem letzten Besuch, drei Jahre nach seiner Absetzung, ist Ludwig III., der letzte bayerische König, im Jahr 1921 dort gestorben.

          Prunk für die Tafel: Zwei Girandolen, in Augsburg 1807/08 gefertigt vom königlich-bayerischer Hofsilberarbeiter Johann Alois Seethaler, Silber, Höhe 52 cm, Schätzpreis 5500 bis 6500 Euro.
          Prunk für die Tafel: Zwei Girandolen, in Augsburg 1807/08 gefertigt vom königlich-bayerischer Hofsilberarbeiter Johann Alois Seethaler, Silber, Höhe 52 cm, Schätzpreis 5500 bis 6500 Euro. : Bild: NEUMEISTER/Christian Mitko

          Einiges, was Prinz Ludwig nicht in seinen sechzehn Gespannen unterbrachte, ließ er im Keller von Schloss Nádasdy einmauern; 1952 wurde dieses Versteck entdeckt. Fast ein halbes Jahrhundert später, nach Ungarns Beitritt zur Europäischen Union 2004, leiteten die Wittelsbacher Rückgabeverhandlungen ein. Prinz Luitpold von Bayern – dem Nádasdy wohl heute gehören würde, wäre es nicht Eigentum des ungarischen Staats geworden – berichtet im Geleitwort zur Sonderauktion „Kunst im Exil“, dass seine Familie nach jahrelangem Ringen „die mehr Bayern betreffenden Gegenstände“ zurückerhielt. Dazu zählen vier Porträts von der Hand Joseph Stielers, die Neumeister in München am 15. März im Rahmen von knapp siebzig Losen aus Sárvár zur Auktion bringt. Hofmaler Stieler kennt man nicht zuletzt für seine „Schönheitengalerie“, für die er im Auftrag Ludwigs I. Beautés aller Stände von der Schusterstochter bis zur Fürstin konterfeite – nicht zu vergessen Lola Montez, die Geliebte Ludwigs I., die ihn letztlich den Thron kostete.

          Korkenzieherlocken und Kreole

          Diverse Mitglieder des Hauses Wittelsbach hat Stieler porträtiert, manche mehrmals: so König Max I. Joseph, der auf dem zur Schätzung von 30.000 bis 40.000 Euro angebotenen Bildnis aus dem Jahr 1823 in der Kleidung der Goethezeit eine goldene Kreole im Ohr trägt. Seine Frau, Königin Karoline, saß dem Künstler im selben Jahr Modell, mit großer Straußenfeder am Hut und im silberbestickten Kleid (60.000/80.000 Euro). Zwei Enkelinnen der beiden, die Prinzessinnen Adelgunde von Bayern und ihre Schwester Hildegard, bannte Stieler als hübsche Bräute in Weiß mit langen dunklen Korkenzieherlocken auf die Leinwand (je 50.000/70.000 Euro). Unter weiteren Bildern, die in Sávár hingen, fällt das „Turnier in Antwerpen 1498“ ins Auge. Das dichte Gewimmel von geharnischten Rittern, von Musikanten und Zuschauern wurde möglicherweise um 1600 auf drei Meter Breite lebhaft geschildert (20.000/25.000 Euro).

          Mit Silber für die gepflegte Tafel war man in Sávár gut ausgestattet; die meisten Stücke – Kannen und Kännchen, Dosen, Girandolen und diverse Gebrauchsobjekte mehr– tragen als Arbeiten des 19. Jahrhunderts dessen üppige Dekors, oft auch Krönchen und Monogramme. Vier Lose mit Platten und Tellern der Augsburger Silberschmiede des 18. Jahrhunderts gehörten ehemals zum Tafelsilber der Bamberger Fürstbischöfe. Im Jahr 1803 wurde es im Zuge der Säkularisation Eigentum der Wittelsbacher, die die alten Besitzermonogramme mit dem Königlich-Bayerischen Wappen überdecken ließen (Taxen von 6500/7000 bis 20.000/25.000 Euro). Den Schluss macht ein kleines Porzellan-Konvolut aus Wittelsbacher-Besitz, darunter eine große KPM-Panoramavase, um 1831/34, mit Ansichten der wichtigsten Berliner Gebäude auf umlaufendem Straßenprospekt (35.000/45.000 Euro).

          Und was blieb in Nádasdy? Über Generationen hatte das Schloss der Familie dieses Namens gehört, die aus dem Ort ein Zentrum des Humanismus machte und mit Ferenc Nádasdy einen siegreichen Feldherrn im Kampf gegen die Türken hervorbrachte; Fresken des 17. Jahrhunderts im Prunksaal erinnern an seine Heldentaten. Das Schloss wird heute als Kulturzentrum genutzt und kann besichtigt werden. Bei der Einigung mit den Wittelsbachern erwarb der ungarische Staat „für das Museum Sárvár wichtige Gegenstände mit Bezug zu Ungarn“.

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