Münchner Messen : Das großzügige Salonmodell kommt sehr gut an
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München berauscht sich gern und überschwänglich an Kunst. Jetzt gibt es dort vier Messen gleichzeitig. Für jeden ist etwas dabei, ob alt, ob neu - und sogar ein wenig Volksnähe.
Barocke Ekstasen sind nun einmal Teil des Münchner Wesens. In seiner Neigung zu Überschwang und Inszenierung fordert es immer neue Genüsse ein - um sich, gleich einer Made im Speck, gelegentlich daran zu überfressen. Ohnehin herrscht hier dank einmaliger Dichte an Museen, Ausstellungsinstituten und Galerien ja nie Mangel an besten Kunstprogrammen. Und nun finden in dieser Stadt auch noch vier Messen statt - gleichzeitig. Die parallele Terminierung der zum Teil noch jungen Veranstaltungen ist neu und will noch erprobt werden. Zumal die Schere sich weit spreizt zwischen Antiquitäten und arrivierter Kunst einerseits - bedient von den Messen im Haus der Kunst, im Postpalast und am Nockherberg - und andererseits zeitgenössischer Kunst auf der Munich Contempo, im Schulterschluss mit Münchner Galerien, die ein besonderes „Kunstwochenende“ abhalten.
Der Grund für diese Ballung residiert im Haus der Kunst: Von der Anziehungskraft der Highlights nämlich wollen alle profitieren. Diese kompakte Messe mit internationalem Flair und höchstem Güteanspruch bekräftigt mit der zweiten Ausgabe ihre Führungsrolle unter den deutschen Kunstmessen. Weiter perfektioniert wurde das subtile Zusammenspiel von Kunst vieler Jahrhunderte in offenen eleganten Salons, die überall Durch- und Rundblicke auf spannende Dialoge gestatten, wo 54 kooperationsfreudige Aussteller das Optimum aus wenig Platz holen.
Eine Schale für den Waidmann
Hendrik van Balens „Heilige Familie mit Johannesknaben“ etwa, von Jan Brueghels d. J. duftiger, von Insekten frequentierter Blumengirlande umschlungen (850.000 Euro), harmoniert inmitten von Konrad O. Bernheimers Gemäldephalanx in einer tiefroten Herzkammer der großen Halle mit einer Anna Selbdritt, die um 1460 in Burgund ihre ungemein realistischen, bäuerlichen Gesichtszüge gemeißelt bekam; sie ist für 450.000 Euro bei Blumka und Böhler zu haben. Dass Skulptur neuerlich eine Stärke der Highlights abgibt, unterstreichen Mehringer & Benappi nicht zuletzt mit einem kontemplativen gotischen Reliefköpfchen des heiligen Johannes aus Alabaster. Und jeden Besucher dürfte der Stand der Galerie Apolloni aus Rom anziehen, wo Vincenzo de’ Rossis weißmarmorne Laokoon-Gruppe aufragt: Um 1584 versuchte der Schüler des Baccio Bandinelli, die 1506 ausgegrabene römisch-antike Skulptur nochmals dramatisch zuzuspitzen; 1,9 Millionen Euro kostet das Werk.
Unendlich viel gibt es zu entdecken: Was Kunsthandwerker aus Blutjaspis zu schnitzen vermochten, zeigt der Kunstkammerspezialist Georg Laue mit einer Augsburger Tazza, erlesen gefasst mit Silber und Email. Hinter einer gewaltigen Louis-XV.-Boiserie, die vom Pariser Händler Steinitz kommt, öffnet sich Röbbigs Reich rarer Porzellane. Heribert Tenschert installiert eine prachtvolle Zimelienbibliothek, in Helga Matzkes Silbervorräten glänzt eine extrem seltene Augsburger Jagdschale für den Waidmann (80.000 Euro), und bei Mühlbauer beeindrucken Malachit-Vasen und ein Guéridon mit Lapislazuli-Platte für den russischen Hof. Liebhaber von Zeichnungen lassen sich auf gar keinen Fall Ingres’ hinreißende „Comtesse Amédée de Pastoret“ (850.000 Euro) bei Coatelem entgehen.
Neun Barockbildern von Johann Heiss
Einen der Höchstpreise auf dieser Versammlung von Spitzenwerten hält Picasso: 4,5 Millionen Euro erfordert seine „Femme dans l’atelier“ von 1956 bei Salis & Vertes: Die Salzburger Galerie und der Kölner Antikenhändler Gordian Weber schufen eine 4000 Jahre überspannende Allianz im Nebeneinander von Max Ernsts vollmondbeherrschtem „Trugbild“ und einer großen runden Ritualscheibe aus dem antiken Baktrien. Aufregend gelangen Dialoge zwischen einer trommelnden Fetischfigur der Fante in Ghana und modernen Bildhauern wie Avramides, inszeniert von den Galerien Dierking und Florian Sundheimer.