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Moderne-Auktionen in London : Für Realisten oder Surrealisten

  • -Aktualisiert am

Bei Christie’s auf 2,5 bis 3,5 Millionen Pfund taxiert: Remedios Varo, „Retrato del Doctor Ignacio Chávez“, 1957, Öl auf Masonit, 94,6 mal 61,9 Zentimeter Bild: Christie’s

Spitzenwerke aus Restitutionsvergleichen und neu auf den Markt kommende Ware sollen die Auktionshäuser auf Erfolgskurs halten: Vorschau auf die Versteigerungen moderner und zeitgenössischer Kunst in London.

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          Ein hochkarätiger Kandinsky, nach zwölfjährigem Rechtsstreit vor wenigen Monaten vom Van Abbemuseum in Eindhoven an die Erben eines jüdischen Sammlerpaares restituiert, ist das Glanzstück der mit marktfrischer Wa­re vollgepackten anstehenden Auktionswoche moderner und zeitgenössischer Kunst in London. „Murnau mit Kirche II“ kommt am 1. März bei Sotheby’s in der „Modern & Contemporary Evening Auc­tion“ abgesichert durch eine Garantie zum Aufruf. Die Erwartung liegt bei mehr als 37 Millionen Pfund; der bisherige Auktionsrekord des Künstlers seit 2017 bei 33 Millionen Pfund.

          Den Londoner Saisonauftakt macht Christie’s am Dienstag. Die mit Blick auf die Kundschaft in Asien auf den Nachmittag Londoner Zeit gelegten Auktionen „20th/21st Century: London Evening Sale“ und „The Art of the Surreal Evening Sale“ sollen mit 109 Losen insgesamt 132,6 bis 198 Millionen Pfund einspielen. Im vergangenen Jahr lag die Er­wartung für neunzig Lose bei 189 bis 269 Millionen Pfund. Aus der amerikanischen Sammlung von Jerome und Elizabeth Levy kommen mehrere Werke des deutschen Expressionismus und der Neuen Sachlichkeit, darunter Arbeiten von Otto Müller und Erich Heckel sowie von Ernst Ludwig Kirchner das Porträt „Rothaarige (recto); Rosa Stilleben (verso)“ (Taxe 2,4 bis vier Millionen Pfund ) aus dem Jahr 1914. Das Ehepaar Levy ersteigerte das Bild 2001 bei Sotheby’s in London für 333.500 Pfund. Otto Dix’ Blatt „Sadisten gewidmet“ (500.000/700.000) entstand 1922; die Levys ersteigerten es 1992 bei Christie’s für 110.000 Pfund. Ebenfalls aus ihrer Kollektion kommt Max Beckmanns „Nachtstilleben mit Sonnenblumen“ (650.000/eine Million) aus dem Jahr 1943.

          Bei Sotheby’s: Pablo Picassos „Fillette au bateau, Maya“, 1938, Öl auf Leinwand, 73,3 mal 60 Zentimeter, Schätzpreis 12 bis 18 Millionen Pfund
          Bei Sotheby’s: Pablo Picassos „Fillette au bateau, Maya“, 1938, Öl auf Leinwand, 73,3 mal 60 Zentimeter, Schätzpreis 12 bis 18 Millionen Pfund : Bild: Sotheby`s

          Pablo Picasso stellt bei Christie’s drei der vier teuersten Lose, angeführt von „Femme dans un rocking-chair (Jacqueline)“ aus dem Jahr 1956 mit einem Preisschild von 15 bis 20 Millionen Pfund. 2007 erzielte es an gleicher Stelle 2,48 Millionen Pfund. Ein Kronleuchter von Alberto Giacometti, den sein Einlieferer in den Sechzigerjahren für 250 Pfund ohne Zu­schreibung kaufte, könnte bis zu 2,5 Millionen Pfund einspielen. Aus der Sammlung des kürzlich verstorbenen Schweizer Unternehmers Donald M. Hess kommen zwei Werke von Georg Baselitz: Die große Holzskulptur „Frau Paganismus (Mrs Paganism)“ aus dem Jahr 1994, taxiert auf vier bis sechs Millionen, sowie ein Porträt seiner Frau „Elke I“ (2,5/3,5 Millionen) aus den Siebzigerjahren.

          Der Auktion vorangestellt sind gefragte Nachwuchsstars wie Cristina Banban, der die Galerie Skarstedt in New York gerade eine Solo-Ausstellung ausrichtete, sowie Caroline Walker und die Londonerin Michaela Yearwood-Dan. Ewa Juszkiewiczs ist bekannt für ihre beunruhigenden Aneignungen historischer Porträts, so wie ihre „Sisters“ (300.000/500.000) mit In­sektenkörpern anstelle von Gesichtern. Inspiriert ist das Werk von einem Gruppenporträt der Schwestern des Schweizer Hofmalers Anton Graff aus dem späten 18. Jahrhundert. Die angeschlossene Sektion mit Surrealismus bietet Leckerbissen von Malerinnen wie Leonora Carrington, Dorothea Tanning und Remedios Varos mit „Retrato del Doctor Ignacio Chávez“ (2,5/3,5 Millionen) aus dem Jahr 1957. Die drei teuersten Werke stellt René Ma­gritte, darunter „Le retour“ (4/6 Millionen) mit Vogel, Meer und Wolkenhimmel.

          Bei Phillips: Cecily Brown „Skulldiver II“, 2006, Öl auf Leinen, 215,9 mal 226,1 Zentimeter, Taxe 1 bis 1,5 Millionen Pfund
          Bei Phillips: Cecily Brown „Skulldiver II“, 2006, Öl auf Leinen, 215,9 mal 226,1 Zentimeter, Taxe 1 bis 1,5 Millionen Pfund : Bild: Phillips

          Bei Sotheby’s geht es am folgenden Abend mit der auf jüngste Kunst fokussierten „The Now Evening Auktion“ und der „Modern & Contemporary Evening Auction“ weiter. Sie sollen mit 60 Losen insgesamt 142,52 bis 191,89 Pfund einspielen. Im vergangenen Februar setzte Sotheby’s mit 65 Losen 221,4 Millionen Pfund um. Kandinskys „Murnau mit Kirche II“ ist nicht das einzige Werk, das bei Sotheby’s im Zuge eines Restitutionsvergleichs unter den Hammer kommt. Der Erlös von Edvard Munchs „Tanz am Strand“ (12/20 Millionen) aus dem zwölfteiligen Berliner „Reinhardt-Fries“, vollendet 1907, wird unter den Nachkommen des norwegischen Reeders Thomas Olsen und denen des Berliner Kunsthistorikers Curt Glaser aufgeteilt. Glaser kaufte die mehr als vier Meter breite Leinwand 1916 im Berliner Kunstsalon Fritz Gurlitt.

          Unter den Spitzenlosen findet sich daneben ein „Abstraktes Bild“ von Gerhard Richter aus dem Jahr 1986, für das mehr als 20 Millionen Pfund erhofft werden. Der Einlieferer ersteigerte es 2007 in New York für 9,7 Millionen Dollar, was damals ein Rekordpreis für ein abstraktes Bild Richters war. Lucian Freuds 1997 gemaltes Porträt seiner Tochter Isobel, „Ib Reading“, soll 15 bis 20 Millionen Pfund erzielen. In der Sektion „The Now“ stellt die britische Malerin Cecily Brown mit „The Nymphs Have Departed“ (2,5/3,5 Millionen) das teuerste Los. Die Leinwand „Muliro Gardens (baboons)“ (1/1,5 Millionen) des kenianisch-britischen Ma­lers Michael Armitage war 2017 bei dem Ab­leger der Londoner White Cube Gal­lery in Hongkong ausgestellt. Eine Baumlandschaft des gehypten Schweizer Malers Nicolas Party, „Trees“ von 2019, wurde aus einer asiatischen Privatsammlung eingeliefert und ist mit 900.000 bis 1,3 Millionen Pfund bewertet.

          Bei Phillips schließlich steht am 2. März der „20th Century and Contemporary Art Evening Sale“ mit 24 Lose im Gesamtschätzwert von 25,83 bis 37,16 Millionen Pfund an. Bei der entsprechenden Veranstaltung im vergangenen Jahr wurden mit 41 Losen 29,9 Millionen Pfund eingespielt. Die beiden Spitzenlose kommen aus dem Besitz des Pariser Sammlers Marcel Brient, der in den vergangenen Jahren Phillips’ Auktionen mehrfach hochkarätig bestückte: Gerhard Richters abstrakte Komposition „Mathis“ von 1983 (10/15 Mil­lionen) und eine unbetitelte Leinwand Willem de Koonings aus dem Jahr 1984 (7/9 Millionen). Daneben bietet Phillips Werke von Banksy, Cecily Brown, Albert Oehlen und Anselm Kiefers „Walhalla“ (700.000/eine Million). Unter den Jungstars ist der belgische Maler Ben Sledsens mit der Landschaft „Wanderer with Dog“ (80.000/120.000) neben Claire Tabouret und Loie Hollowell vertreten. Die Tagesauktion soll mit 203 Losen weitere 8,1 bis 11,7 Millionen Pfund zum Saisonumsatz beitragen.

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