Katalog Martin Moeller : Menschen ihrer Zeit
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Johann Georg von Dillis: „Cantius Dillis und Simon Warnberger“, um 1794, Aquarell über Bleistift auf Papier, 23,3 mal 15,9 Zentimeter, Preis 6800 Euro. Bild: Kunsthandel Dr. Moeller
Porträts auf Papier von Frauen und Männern, Berühmtheiten und Namenlosen, von Kindern und Greisen finden sich im neuen Katalog von Kunsthändler Martin Moeller aus Hamburg.
Als die Fotografie sich des Porträts annahm, lief sie bei diesem Kernthema anderen Künsten den Rang ab. Die allerdings haben der Kamera Einiges an interpretatorischen Freiheiten voraus: Zum Beispiel kann ein Zeichner seine Auftraggeberin jünger und schöner zaubern, ebenso gut vermag er, einem Modell einige Jahre mehr aufzuhalsen; als scharfer Beobachter unterstreicht er vielleicht bestimmte Wesenszüge oder mildert andere nach Belieben. Er kann also Komplimente machen oder eine subtile Bosheit unterbringen und bereits mit kleinen Überzeichnungen eine Physiognomie zur Karikatur werden lassen.
Gleich mehrere dieser seit eh und je genutzten Facetten vereint eines der Capricci von Gaetano Gandolfi, die schon zu Lebzeiten des Bolognesers im späteren 18. Jahrhundert bei Sammlern gefragt waren. Sieben Studienköpfe steckt die Federzeichnung dicht an dicht zusammen, zauberhafte junge Frauen mit Perlen im hochgesteckten Haar, dazu einen warzigen Alten oder ein übertrieben markantes, fast teuflisches Männerprofil. Zum Preis von 15.000 Euro bietet der Hamburger Kunsthändler Martin Moeller dieses Blatt über seinen jüngsten Katalog an. 45 Porträts auf Papier enthält er, von Frauen und Männern, Berühmtheiten und Namenlosen, von Kindern und Greisen.
Was zählt, ist die Qualität
Der junge Mann, den Savinien Edme Dubourjal 1829 konterfeite, frisierte sich mit nach vorn gekämmter Lockenfülle und dicken langen Koteletten, sogenannten „Favoris“, ganz nach der Mode der Zeit. Sicherlich war es ein Auftragsbildnis, für das der Porträtspezialist Dubourjal die malerische Weichheit von Pastellkreiden nutzte: Denn die unterstreicht den gedankenverlorenen Ausdruck des im Dreiviertelprofil Dargestellten. Dessen Identität ist nicht bekannt, aber auch nicht so wichtig; was zählt, ist die Qualität des Blatts (8500 Euro).
Für den ganz anderen, aber mindestens ebenso faszinierenden Typus der schnellen Gelegenheitsskizze stehen Arbeiten Adolph von Menzels. Wie dieser Virtuose mit Papier und Stift einen rundlichen, jovialen Herrn zeichnet – fix umrissen der Oberkörper, durchgearbeitet das Gesicht –, lächelt uns das pralle Leben an (48.000 Euro). Menzel selbst mochte nicht gerne porträtiert werden, gewährte aber seinem Bewunderer Arthur von Kampf die Gunst einer Skizze. Sie zeigt den betagten Künstler 1901 mit Schirm und Hut, unter dem das unbestechliche Auge hervorblickt. Wie dieses Blatt bereits verkauft ist auch ein ungewöhnliches Selbstbildnis, das Julie Buchet (1847 bis 1921) aquarellierte: Man sieht ihre attraktive Rückenansicht vor der Staffelei; gerade malt sie ihr Gesicht, das aber von ihrer Schulter halb verdeckt ist. Und so lenkt Madame Buchet das Interesse statt auf ihr Aussehen auf ihre Identität als Künstlerin.
Mit liebevoller Art berühren Blätter, die Künstler ihren Nächsten widmeten. Da wäre August Mackes Beobachtung seiner lächelnd in ein Buch vertieften Frau Elisabeth (56.000 Euro) zu nennen oder auch ein Aquarell, auf dem Johann Georg von Dillis um 1794 seinen jüngeren Bruder Cantius zeigt, wie der seinen Malerfreund Simon Warnberger umschlingt. Vielleicht hielt Dillis die Szene auf einer der Wanderungen fest, die das Trio zum gemeinsamen Skizzieren und Malen unternahm (6800 Euro). Richtige Herzwärmer sind die vielen Kinderdarstellungen, etwa die Kreidezeichnung, die der Belgier Georges Lemmen 1896 von seinem tief schlummernden rundwangigen Söhnchen Pierre fertigte (8700 Euro).
Frech mit Bubikopf
Zur frechen Sorte Konterfei gehört Georg Tapperts „Frau mit Bubikopf-Frisur und Krawatte“, eine echte Berliner Milljöh-Figur der Zwanziger. Deren kecken Ausdruck mit halb geschlossenen Augen unterstrich der Künstler durch kleine Übertreibungen (5400 Euro). Solcher bedurfte es nicht, als Koloman Moser das Profil einer Wiener Dame flott zu Papier brachte: Der mit gewaltiger Frisur in den Nacken gelegte Kopf – die Tendenz zum Doppelkinn kann diese Haltung nicht verbergen –, dazu ein süffisantes Lächeln summieren sich auch so zum Bild einer vermutlich sehr selbstzufriedenen Frau mit spitzem Mundwerk (9000 Euro). Zu den jüngsten Bildnissen zählt das eines jungen Italieners. Eduard Bargheer aquarellierte ihn 1965 in seiner Wahlheimat Ischia mit kräftigen Pinselzügen; wie hier die dunklen Augen zur Wirkung kommen, hätte der schlichte Realismus einer Fotografie nicht herzustellen vermocht (9000 Euro).