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Internet-Antiquare : Noch mehr Bücher für alle

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Zum zehnten Mal erscheint der Gemeinschaftskatalog der Antiquare, und es gibt kein Spezialgebiet für Bibliophile, das darin unbeachtet bliebe.

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          Ende des 17. Jahrhunderts konnten die Gäste von Herzog FriedrichIII. von Schleswig-Holstein-Gottorf auf Schloss Gottorf nicht nur eine Mumie aus Nordamerika oder die Tracht eines Chinesen bestaunen, auch ein echtes Einhorn – „so weiß wie Elfenbein“ – war dort zu sehen. Die Objekte gehörten zur ersten „Wunderkammer“ im norddeutschen Raum, deren Sammlung eine Vielzahl von Exponaten aus Flora und Fauna, Fossilien und völkerkundliche Zeugnisse umfasste. Zusammengetragen, geordnet und beschrieben wurden sie vom Hofgelehrten Adam Olearius, der übrigens in seiner Chronik der Wunderkammer bereits bezweifelt, dass es sich bei dem Horn um den Kopfschmuck einer pferdeartigen Kreatur handelt: Das Inventar von 1674 mit zahlreichen Kupfertafeln ist beim Antiquariat Arno Adler aus Lübeck für 2200 Euro zu haben.

          Besondere Schätze

          Sein Angebot eröffnet den Gemeinschaftskatalog der Antiquare 2019 mit dem sprechenden Titel „Bücher, Bücher, Bücher, Bücher...“, den die Genossenschaft der Internet-Antiquare (GIAQ) seit 2008 nun zum zehnten Mal herausgibt. Die 62 Antiquare aus Deutschland, Österreich und der Schweiz haben dafür besondere Schätze in ihren Beständen ausgewählt, beschrieben und oft auch bebildert. So findet sich auf 184 Seiten ein breites Angebot an wertvollen Büchern, Autographen, Graphiken, Handschriften und Plakaten aus nahezu allen Epochen der Buch- und Druckgeschichte.

          Sämtliche Werke stehen natürlich zum Verkauf, die Preise bewegen sich meist im drei- bis vierstelligen Bereich. An der Spitze findet sich, mit 65.000 Euro ausgezeichnet, eines von nur hundert Exemplaren der Erstausgabe von „Nippon“, dem siebenteiligen Hauptwerk über Japan des bayerischen Arztes und Japan-Forschers Philipp Franz von Siebold. Es wird vom Antiquariat Kainbacher aus Wien angeboten, das sich in seinem Katalogbeitrag auf Reise- und Expeditionsliteratur spezialisiert. Ein weiteres Highlight mit Japan-Bezug ist dort „Kosha Token-zu“, ein Originalmanuskript über Schwerter, um 1796 entstanden: Das Leporello aus 42 Doppelblättern trägt Zeichnungen von mehr als zwanzig japanischen Schwertern und deren Beschreibungen (4500 Euro).

          Die meisten Antiquare haben einen eigenen Schwerpunkt oder stellen ihren Katalogeintrag unter ein bestimmtes Thema. Das kann mitunter sehr speziell werden. So hat das Antiquariat Winfried Scholl aus Osnabrück einen umfangreichen Bibliotheksbestand übernommen und bietet ausschließlich Werke zum Thema Bergbau an (Preise von 180 bis 980 Euro). Das Antiquariat Unterwegs aus Berlin setzt auf elegante Illustrationen aus der Zeitschrift „Styl. Blätter für Mode und die angenehmen Dinge des Lebens“. Die Darstellungen für die selbstbewusste neue Frau stammen von namhaften Künstlern und Künstlerinnen, darunter Lieselotte Friedländer und Jeanne Mammen. Das Journal erschien von 1922 bis 1924 in drei Jahrgängen und enthielt auch literarische Texte, neben Kritiken der führenden Modejournalisten Berlins und Anzeigen aus der Luxusbranche. Mit der Veröffentlichung versuchte sich der „Verband der Deutschen Modeindustrie“ als Herausgeber gegen die Modehauptstadt Paris zu positionieren. Alle siebzehn Hefte des wohlerhaltenen Konvoluts sind zusammen für 9800 Euro zu haben.

          Auch Frank Albrecht aus Schriesheim will die Käufer mit Bildern locken: Er versucht es mit einem Kontrast und stellt Bücher mit originalen Schwarz-Weiß-Holzschnitten und Zeichnungen von Franz Masereel neben Bücher mit bunten Illustrationen von Walter Trier. In beiden Fällen handelt es sich ausschließlich um Erstausgaben, teilweise signiert oder mit Widmungen. Das Masereel-Angebot wird angeführt von „Die Stadt“, aus dem Jahr 1925, einem der expressionistischen Hauptwerke des Künstlers. Das Werk liefert einen sozialkritischen Einblick in die moderne Großstadt mit ihren kapitalistischen und sexuellen Ausschweifungen (1500 Euro). Ein von Masereel illustriertes Exemplar von Victor Hugos „Notre-Dame de Paris“ kostet 280 Euro.

          Daneben wirken die Bilder von Walter Trier noch kindlicher. Er ist vor allem für seine geniale Titelgrafik zu Erich Kästners „Emil und die Detektive“ bekannt und illustrierte zahlreiche weitere Bücher des Schriftstellers, darunter „Das verhexte Telefon“ (450 Euro). Außerdem sind bei Frank Albrecht zwei Tarnschriften von 1939 erhältlich. Mit einem falschen Umschlag sollte die Zensur umgangen werden. In einer angeblichen Shampooprobe versteckt sich zum Beispiel ein Heft, das sich kritisch mit der Judenverfolgung auseinandersetzt (150 Euro). Signierte Erstausgaben sind schon seit langem ein Spezialgebiet von Wolfgang Rüger aus Frankfurt am Main. Rainer Maria Rilkes „Insel-Almanach auf das Jahr 1919“ enthält die Erstveröffentlichung der beiden Gedichte „Der Tod“ und „Narziss“ und ist mit 1600 Euro beziffert.

          Nicht nur in der Architektur, auch in der Druckgeschichte stellte das Bauhaus eine Wende dar. Für den in diesem Jubiläumsjahr obligatorischen Beitrag steht das Antiquariat KaraJahn aus Berlin. Anhand von zeitgenössischen Ausstellungskatalogen bietet es einen Überblick der modernen Werbe-Typographie vom Bauhaus und seinen Zeitgenossen. Mit verschnörkelter Schrift und viel Text sieht der Deckel des Katalogs zur Internationalen Büro-Ausstellung Berlin von 1928 noch recht überladen und etwas altmodisch aus (750 Euro). Sechs Jahre später übernahm der Bauhaus-Schüler Kurt Kranz die Gestaltung des Titels, reduzierte das Design und setzte den Text in die „Futura“ (900 Euro). Ein dreiteiliges Werbefaltblatt zur Internationalen Automobilausstellung Berlin 1931 ist für 180 Euro zu haben.

          Die geschlossenen Reihen von Gesamtausgaben sind der Stolz eines jeden Bücherregals. Besonders wenn es sich um so edle Einbände aus Kalbsleder handelt wie bei der Vorzugsausgabe der „Gesammelten Werke“ von Thomas Mann aus dem Fischer Verlag. Das Antiquariat und Galerie 01 aus Simbach am Inn hat zehn von elf Bänden im Angebot, für zusammen 4800 Euro. Beim Antiquariat Lenzen aus Düsseldorf sind vier Werke separat zu haben (von 580 bis 1950 Euro), die sicher auch einzeln gut aussehen. Alle Bände der auf 150 Exemplare limitierten Ausgabe von 1920 bis 1930 sind handschriftlich numeriert und vom Autor signiert. Aus dem Aufbau Verlag stammt eine spätere Ausgabe von Thomas Manns „Gesammelten Werken“. Sie wurde, laut Katalog, 1961 für hohe politische Funktionäre der DDR gefertigt. Die dunkelbraunen Ganzledereinbände mit üppiger Rückenvergoldung lassen darauf schließen, dass die Bücher eher rein repräsentativen Zwecken dienten. Gelesen wurden die zwölf Exemplare wohl nie, die beim Antiquariat Peter Ibbetson aus Engelskirchen für 1500 Euro erhältlich sind. Zu den teureren Schätzen im Katalog der Antiquare zählen vor allem Grafiken. Das Antiquariat Schröter aus Unna hält eines von nur zwei bekannten Exemplaren eines Holzschnitts von Christian Schad bereit, das er 1917 als Handdruck hergestellt hat. Das Blatt mit dem Titel „Deliberation“ stammt aus seiner Zeit in Genf und ist für 19000 Euro zu haben. 20000 Euro kosten bei Eckard Düwal aus Berlin 68 Chromolithographien, um 1880, die Aquarelle von Eduard Hildebrandt zeigen. Mit dem komplizierten Druckverfahren konnte fast die volle Farbigkeit der Landschaftsdarstellungen reproduziert werden, die der Maler auf seiner letzten Weltreise von 1862 bis 1864 anfertigte.

          Wer sich selbst als einen Liebhaber des Buchs kennt, für den ist der Gemeinschaftskatalog eine sehr lohnende Lektüre. Im besten Fall macht er Lust darauf, die Wunderkammern der Antiquare einmal wieder selbst zu betreten, um deren Schätze vor Ort zu entdecken, anzusehen – und vielleicht auch mit nach Hause zu nehmen.

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