Auktionsgebnisse aus London : Gegen die Unkenrufe
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Zahlreiche Rückgänge bei Sotheby’s sorgen für einen Erlös, der weit hinter Christie’s liegt. Ein genauer Blick auf die Ergebnisse zeigt allerdings, dass die einen nicht ganz so gut und die anderen nicht ganz so schlecht abgeschnitten haben, wie es scheint.
Auf den ersten Blick wirkt es, als habe Sotheby’s bei seiner ersten richtigen Londoner Altmeisterauktion seit Beginn der Pandemie eine Schlappe einstecken müssen. Gemäß der Philosophie des amerikanischen Geschäftsführers Charles Stewart, den Auktionsbesuch als besonderes Erlebnis zu gestalten, saßen in der Bond Street rund fünfzig Kunden mit Abstand an weiß gedeckten Tischen vor Schnittchen und Champagner, während Auktionator Harry Dalmeny sich bei einem Rückgang nach dem anderen immer mehr schwertat, fröhlich zu wirken. Von 49 Losen blieben 21 unverkauft, und das Gesamtergebnis lag mit vierzehn Millionen Pfund, ohne Aufgeld, weit hinter den 37 Millionen Pfund, die Christie’s mit 46 von 59 veräußerten Losen einspielte.
Zwar war dort eines der Spitzenlose, Anthonis van Dycks mit bis zu fünf Millionen Pfund veranschlagtes Porträt des grimmigen Grafen Strafford, eines der engsten Mitstreiter Karls I. im Bürgerkrieg, das sich seit dem 17. Jahrhundert im Besitz der Herzöge von Grafton befindet, aus nicht erklärten Gründen vom Auftraggeber aus der Auktion genommen worden, obwohl es eigens dafür restauriert worden war. Dennoch hatte Christie’s nicht nur das umfangreichere, sondern mit marktfrischen Werken von großen Namen wie Bellotto, Frans van Mieris, Georges de La Tour, Artemisia Gentileschi und Johann Zoffany das deutlich interessantere Angebot. Das dürfte zum einen auf die traditionellen Verbindungen des Hauses zu alteingesessenen britischen Familien zurückzuführen sein, lag aber auch daran, dass Christie’s sein Pulver trocken gehalten hatte, indem es anders als Sotheby’s im Januar auf die übliche New Yorker Altmeisterauktion verzichtete. Die Reisebeschränkungen, welche die Akquisition von Aufträgen ebenso erschwerten wie die bei alten Meistern sehr notwendige Besichtigung, fielen bei Sotheby’s besonders schwer ins Gewicht.
Bei näherem Hinschauen zeigt sich allerdings, dass Christie’s nicht ganz so gut und Sotheby’s nicht ganz so schlecht abgeschnitten hat, wie die Gesamtergebnisse zunächst glauben machen. Bei Christie’s übertrafen einige Gemälde die Erwartungen und setzten sogar neue Rekorde, allen voran die exquisite kleine Musikstunde von Frans van Mieris, die nach fast einem Jahrhundert aus einer englischen Privatsammlung wieder aufgetaucht ist. Das auf bis zu eine Million Pfund taxierte Tafelgemälde kletterte auf 2,9 Millionen Pfund. Auch Artemisia Gentileschis reizvoll liegende Venus in zärtlicher Umarmung mit Amor erzielte mit zwei Millionen Pfund fast doppelt so viel wie veranschlagt. Das gilt auch für das eindringliche Frauenporträt von Ferdinand Bol aus einer alten schottischen Sammlung, das bei 980.000 Pfund den Zuschlag fand.
Wie bei Leonardos Silberstiftzeichnung mit dem Bärenkopf, die Christie’s in der Hoffnung auf neue Käufer dem – von einem Stück Meteor bis zu diversen Artefakten reichenden – „Exceptional Sale“ zugeordnet hatte, zogen mehrere der Spitzenlose nur ein Gebot an, das die untere Taxe gerade erreichte oder darunterlag. So konnte sich ein New Yorker Privatsammler die herrliche Ansicht Veronas mit dem Ponte delle Navi des jungen Bernardo Bellotto für neun Millionen Pfund sichern. Als die Vedute 1971 zuletzt auf den Markt kam, brachte sie 300.000 Pfund ein.
Der heilige Andreas aus der Serie der Albi-Apostel von Georges de La Tour, eines der wenigen noch in privater Hand befindlichen Gemälde des französischen Caravaggisten, fand bei 3,7 Millionen Pfund, ebenfalls unter der Schätzung, einen Käufer: Er überholte aber dennoch den im Dezember 2020 bei Lempertz in Köln mit dem in ein Kohlebecken blasenden Mädchen aufgestellten Rekord. Für die mit bis zu 1,5 Millionen Pfund ausgezeichnete Theaterszene des gebürtigen Frankfurters Johann Zoffany, die den berühmten Schauspieler David Garrick mit zwei Kollegen darstellt, fiel der Hammer bei 850.000 Pfund. Auch die zwei den Nachkommen des Amsterdamer Unternehmers Jacob Lievens restituierten Gemälde wurden zur unteren Taxe versteigert. Das üppige Stillleben von Jan Davidsz. de Heem, das mit bis zu fünf Millionen ausgezeichnet war, brachte 2,6 Millionen Pfund. Das Frans-Hals-Museum gab mit 600.000 Pfund das erfolgreiche Gebot für die lustige Gesellschaft von Dirck Hals, dem jüngeren Bruder von Frans, und Dirck van Delen ab, die sie als langfristige Leihgabe verwahrt hatte.
Sotheby’s war wegen des hohen Anteils früher niederländischer Gemälde besonders betroffen von der schwächeren Nachfrage für diese Sparte, die auch Christie’s zu spüren bekam. Trotz der betrüblichen Rückgangsrate übertrafen viele der verkauften Lose ihre obere Taxe und widerlegten, wie auch die Rekordergebnisse für Samuel Palmers monochrome Mondlichtzeichnung bei 1,3 Millionen und Hans Hoffmanns wunderbarer Hase auf Pergament bei 1,02 Millionen Pfund, die Unkenrufe über den Altmeistermarkt. Das verdankt sich nicht zuletzt dem erstarkten Interesse asiatischer Bieter, auf die nach Wert gemessen in diesem Jahr ein Drittel der Gebote in dem Sektor entfallen. Der enorme Zuspruch für einen grotesken Narren mit Zuschreibung an Quentin Massys, um den sich fünf Bieter rissen, bevor er mit 420.000 Pfund seine Schätzung verzehnfachte, zeugt vom Bedarf neuer Käufer nach kräftigen Motiven. Das Spitzenlos, eine frühe Seelandschaft William Turners, die zuletzt 1945 zum Verkauf stand, kam mit vier Millionen Pfund an die untere Grenze der Schätzung. Das mit temperamentvollen Pinselstrichen gemalte Familienporträt Anthonis van Dycks, das seit 1945 nicht auf dem Markt war und eine Taxe von bis zu 1,5 Millionen Pfund trug, brachte es hingegen auf zwei Millionen Pfund.