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Galerie Presenhuber in Wien : Zum Start auf die richtigen Pferde gesetzt

  • -Aktualisiert am

Galeristin Eva Presenhuber expandiert an die Donau: Ihre neue Galerie in Wien eröffnet mit Bildern von Tobias Pils.

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          In Wien wollte sie einst Künstlerin werden, doch dann förderte sie lieber die Kunst anderer. Die Zürcher Galeristin Eva Presenhuber studierte Anfang der Achtzigerjahre bei Ernst Caramelle an der Universität für angewandte Kunst. Nach ersten Galerienjobs übersiedelte sie 1989 mit ihrem Studienfreund Ugo Rondinone nach Zürich, wo die geborene Oberösterreicherin heute zwei Standorte betreibt. Nun kehrt Eva Presenhuber zurück in ihre alte Studienstadt. Die Mieten seien in Wien vergleichsweise niedrig, dafür werde die Kunst sehr hochgehalten, sagt die Galeristin über ihre Expansion an die Donau.

          Eva Presenhubers neue Filiale liegt neben dem Wiener Rathaus, unter Arkaden mit Dekor im Stil der Neorenaissance. Die historischen Schaufenster und die Glastür verleihen der Galerie von außen Charme: Im Inneren herrschen Neonlicht und zeitgemäße Nüchternheit. Der Künstler Tobias Pils, der schon vor fünf Jahren Eva Presenhubers New Yorker Galerie eröffnen durfte, weiht nun auch die österreichische Außenstelle ein. Seit seiner Schau in der Wiener Secession 2013 hat Pils eine steile Karriere hingelegt. Die Chinati Foundation in Marfa und Le Consortium in Paris widmeten dem 1971 in Linz geborenen Maler Einzelpräsentationen. In Österreich hat Pils keine Galerie, wird aber mittlerweile neben Presenhuber auch von Gisela Capitain und neuerdings von David Kordansky in Los Angeles vertreten.

          Beim Betreten der 220 Quadratmeter großen Galerie sticht rote, pinkfarbene und giftgrüne Wandbemalung ins Auge. Weil Pils seine Ölbilder gerne auf farbigem Hintergrund präsentieren wollte, bat er seinen rund zwanzig Jahre älteren Landsmann Gerwald Rockenschaub um eine Raumintervention. Ein gelungenes Zusammenspiel: Hier der chromophobe Maler, dessen Palette fast nur Schwarz, Grau und Weiß kennt, dort der Arrangeur knalligfarbener Versatzstücke, die nun gleichzeitig als Backdrop, Rahmung und eigene Komposition fungieren. Pils nahezu quadratische Gemälde passen wiederum perfekt in die drei Ausstellungsräume, die einen quadratischen Grundriss aufweisen.

          Auf dem titelgebenden Bild der Schau „Between Us Space“ reitet ein einsamer Don Quijote daher. Zumindest lässt die Männerfigur an Cervantes’ Antihelden denken. Aber halt, der ungelenk auf dem Pferderücken balancierende Reiter hält ja gar keine Lanze. Vielmehr teilt die Linie, die diese Assoziation hervorrief, das Bild nur mittig durch. Reißt Pils’ antiillusionistische Setzung den „Raum zwischen uns“ auf, den er im Titel seiner Grisaille beschwört? Für einen surrealen Touch sorgen die zwei Köpfe des Pferdes und der Ballon, der über ihnen schwebt. Dieser entpuppt sich als riesiges Auge, das in seiner kruden Malweise an die Glotzer in Philip Gustons Bildern erinnert.

          Der Mann aus La Mancha galoppiert auf phantasierte Riesen los, und auch im gegenüberliegenden Raum türmen sich in drei Gemälden bedrohliche Massen auf. Pferde, Pferde, nichts als Pferde, so der erste Eindruck, der in Richtung Schlachtenbilder oder Picassos „Guernica“ tendiert. Dabei dienen die Herden keiner Kavallerie, vielmehr besiedeln sie friedlich verschneite Landstriche. Pils tilgt die Spuren des malerischen Verdichtungsprozesses nicht. Er lässt erkennen, wie die Gliedmaßen überlagert wurden, Umrisslinien gesetzt und unterschiedliche Texturen gestrichelt, gewischt oder mit dem Schwamm getupft. Der Sternhimmel über den Wiesen gemahnt an die Verbindung von Pferd und Kosmos, wie sie schon steinzeitliche Höhlenmalereien an­deuten. Wenn in dem Gewimmel Brüste, Frauenkörper mit gewölbtem Bauch und Kreise auftauchen, die Tierföten enthalten, werden archaische Fruchtbarkeitssymbole aufgerufen.

          An die jahrtausendealte Mythologie rund um das Pferd knüpfen wohl auch die beiden Tuschezeichnungen an, die Kultwagen gleichen. Aber es fehlen die Räder, um die aufgetürmten Gestalten vorwärtszubringen. Solch arretierende Spannung zählt zu den Stärken von Pils’ neuen Arbeiten. Der Künstler war 2020 im Pariser Musée Picasso an der Ausstellung „Picasso und der Comic“ beteiligt. Wurde seine Hinwendung zur Figuration vielleicht auch davon beeinflusst? Im stärksten Werk der Schau geht Pils jedoch ganz eigene Wege. Darin bringt er Landschaft und Tiere hinter gigantisch großen Äpfeln beinahe zum Verschwinden. Humor blitzt auf, passt der Apfel als Lockmittel für Vierbeiner doch bestens zum Pferdegetümmel der Schau. Als Motiv für Stillleben legt die Frucht eine Häuslichkeit nahe, wie sie während der Pandemie obligatorisch wurde. Mit der Überproportionalität und dem Abstraktionsgrad reißt sich Pils jedoch von den narrativen Zügeln los, die man seinen Bildwelten anlegen möchte. Kein Wunder, dass alle Gemälde (60.000 bis 70.000 Euro) und Tuschezeichnungen (14.000 Euro) bereits verkauft sind.

          Tobias Pils, „Between Us Space“, Galerie Eva Presenhuber, Wien, bis 21. Mai

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