Messe Art Düsseldorf : Hier ist die KI nur Geselle
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Bei Emami Art: Debashish Paul, „Me with My Pet 1“, Fotografie, Archivdruck, 41 mal 61 Zentimeter, 1200 Euro Bild: Emami Art
Junge Kunst für junge Sammler: Die Messe Art Düsseldorf hat sich etabliert und zeigt in ihrer fünften Ausgabe, wie subtil sich Themen der Gegenwart verhandeln lassen.
Baue mir eine Lokomotive, die von Umberto Boccioni, Jacques Lipchitz und Bruno Gironcoli sowie von Jeff Koons’ Ausstellung „Luxus und Verfall“ von 1986 beeinflusst ist – diese seltsame Aufforderung hat Manuel Graf in das ChatGTP eingegeben und von dem KI-Dialogsystem einen kleinen Text erhalten, in dem es heißt, Graf sehe Künstliche Intelligenz wohl als willkommenen Sparringspartner an. Trifft zu: Mittels Text-zu-Bild-Programm und einem 3-D-Drucker ließ der Künstler daraufhin mehrere kleine Lokomotiven produzieren, die er, bis sie chromglänzend ihren Weg auf die Kunstmesse Art Düsseldorf fanden, tatkräftig mit der Hand des Bildhauers bearbeiten musste. Mühelos lassen sich die Einflüsse der genannten Künstler in den Objekten wiedererkennen, sie changieren zwischen Futurismus, Art déco und Kitsch und sind bei einer Auflage von fünf Exemplaren für jeweils 15.000 Euro bei der Galerie Van Horn erwerben.
Nicht nur Künstliche, sondern künstlerische Intelligenz bekundet sich auch in den Zeichnungen von Mónica Millán, denen die W-Galería aus Buenos Aires einen Soloauftritt widmet. Seit zwanzig Jahren befasst sich Millán in einem Weberdorf in Paraguay mit lokalen Stickereien namens Yu und Ao Po’i, aus denen sie in einen dicht verwobenen zeichnerischen Stil generiert hat. Darin stellt sie Stickerinnen bei der Ausübung ihres Handwerks dar und porträtiert die Einwohner des Dorfs Yataity (je 9000 Euro).
Die fünfte Ausgabe der Art Düsseldorf bestätigt es: Die kleine Messe mit diesmal 95 Ausstellern hat sich etabliert. Zweifel, ob neben der Art Cologne ein zweiter Marktplatz nahe bei wirklich sein müsse, sind mit der regionalen Ausrichtung zerstreut. Allenthalben werden als Vorzüge nicht nur die von Tageslicht belebten ehemaligen Industriehallen des Areals Böhler genannt. Zahlreiche Galeristinnen und Galeristen äußern sich dankbar für ein zuvorkommendes Management, das sie andernorts vermissen und in VIP-Programmen offenbar wirkungsvoll ein informiertes Publikum in Sachen zeitgenössischer Kunst betreut.
Als Vorzug wird auch der Frühlingstermin gesehen, an dem der internationale Kalender der Verkaufsausstellungen noch etwas Luft hat. Aufmerken lässt die Zahl 32: Ein Drittel der Anbieter sind Neuzugänge, was eine beträchtliche Fluktuation bezeugt, aber auch ein nicht minderes Interesse am Standort Rheinland und der Alternative zu Köln. Für Blockbuster-Galerien, so sie sich hier überhaupt einmal eingefunden hatten, ist dies kein verlockendes Terrain.
Die Düsseldorfer Art spricht eine Sammlerklientel an, die in unteren Preissegmenten fündig werden kann. Zum Beispiel bei der Wiener Galerie Shore mit surrealistisch-verspielten Kugelschreiberzeichnungen des Kanadiers Dan Vogt für 2600 Euro. Inhaber Paul Makowsky schätzt an der Messe „die jungen Besucher und die jungen Künstler“, die hier unterwegs seien. Anfänglich hochfliegende Pläne einer Sammlerbrücke nach Asien hat die Messe nicht nur wegen der Pandemie stillschweigend begraben.
Mit Emami Art nimmt indessen noch eine Galerie aus Kolkata teil. Sie präsentiert Fotografien des 1994 geborenen Debashish Paul. Der Künstler performt Szenen irgendwo außerhalb der Stadt, in denen er sein Haupt mit Masken aus indischer Mythologie bedeckt. Darin wird eine nichtbinäre Identität poetisch als Topos verhandelt, während jegliche Queerness in der heutigen indischen Gesellschaft ein Tabu darstelle, erzählt Galeriedirektorin Ushmita Sahu. Es seien solche Widersprüche, die Paul in seiner Arbeit zum Thema mache, aber nicht plakativ, sondern unterschwellig. Die Fotografien in einer Auflage von 10 kosten 1200 Euro, großformatige Farbzeichnungen 3000 Euro.
Auf Kunst, die ihre gesellschaftliche Relevanz eher latent, formal aber reflektiert zum Ausdruck bringt, trifft man auch an den Kojenwänden der Galerie Dürst Britt & Mayhew aus Den Haag. Im Angebot sind Fotografien des gebürtigen Schweizers Marwan Bassioni, die den Blick aus dem Fenster von zahlreichen Moscheen in den Niederlanden, Großbritannien und der Schweiz zeigen. Auch diese Werke fallen unter die Kategorie „Diversität“, zu der einige Galerien eingeladen wurden. Bassionis Bilder sind jeweils aus zwei Aufnahmen kombiniert, dem Interieur und der urbanen oder ländlichen Umgebung draußen, was eine ästhetische Irritation auslöst. Der typologische Ansatz lässt in Düsseldorf an die Schule von Bernd und Hilla Becher denken (bis 12.000 Euro).
Hier und da finden sich freilich auch höherpreisige, am Markt durchgesetzte Angebote wie ein „Fußballspieler“ von Konrad Lueg aus dem Jahr 1964, bei Sies und Höke (Düsseldorf) für 250.000 Euro, während wiederum ein Multiple des späteren Düsseldorfer Galeristen bei der Hamburger Produzentengalerie – ein Stück kariertes Tischtuch aus Wachs – mit 2900 Euro zu Buche schlägt. Es gebe auf dieser Messe „eben nicht so viele Antiquitäten“, sagt eine Kuratorin aus der Region über deren zeitgenössischen Zuschnitt.