Schweizer Fine Art-Auktionen : Einst, beim Enkel des Zaren
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Russischer Adelsbesitz und Porträts deutscher Königsneffen: Bei den „Fine Art“-Auktionen bei Koller in Zürich fließen blaues Blut und Franken im Überfluss.
Eindrücklich stiert der greise Mann vor sich hin, die linke Hand vor der Brust verschränkt. Der skizzenhafte Malstil des 61 mal fünfzig Zentimeter messenden Ölgemäldes lässt den Dargestellten besonders lebendig und lebensnah wirken, sein grau-weißer Bart und die Haupthaare sind durch einzelne pastose Pinselstriche virtuos gestaltet. Govaert Finck, einer der bedeutendsten Schüler Rembrandts, der zwischen 1635 und 1636 in der Amsterdamer Werkstatt des Meisters tätig war, malte die „Tronie eines bärtigen Mannes“ 1650, als er sich längst als eigenständiger Künstler etabliert hatte. Die für das 17. Jahrhundert typische Bildgattung einer Charakterstudie erreichte mit dem Zuschlag bei 700.000 Franken ihre untere Taxe (bis 900.000 Franken).
Damit wurde das Bild zum Spitzenlos bei Kollers „Fine Art“-Auktionen mit Gemälden Alter Meister in Zürich. Bernardo Bellottos erst kürzlich in einer Privatsammlung entdeckte Vedute mit „Blick auf München von Osten“, die zwischen 1762 und 1767 am bayrischen Hof des Kurfürsten Maximilian III. entstand, kam auf 500.000 Franken; sie blieb damit unter ihrer Erwartung auf Nachfrage von 800.000 Franken.
Flämische Künstlerdynastie
Das atmosphärische „Venezianische Capriccio mit einem Turm, Hirten und Schafen“ gehört zu einer Serie von vier Capricci, die Francesco Guardi in den frühen Sechzigerjahren des 18. Jahrhunderts fertigte; zuletzt waren sie zusammen 1958 in München ausgestellt. Zur Taxe bei 400.000 Franken (bis 500.000) wechselte das 94 mal 137 Zentimeter große Gemälde den Besitzer.
Fast alle Maler der Brueghel-Dynastie waren unter den 71 angebotenen Losen vertreten; am teuersten wurde die marktfrische „Predigt des heiligen Johannes des Täufers“ von Pieter Brueghel d. J. mit 380.000 Franken (bis 500.000). Die „Allegorie des Gehörs“ von Jan Brueghel d. J. erreichte ebenfalls ihre untere Taxe mit 200.000 Franken (bis 300.000). Und auch die „Allegorie der Luft“, eine Gemeinschaftsarbeit von Jan Brueghel d. J. mit Ambrosius Francken, kam mit 60.000 Franken (bis 80.000) auf ihre untere Schätzung.
Eine Zusammenarbeit seines Vaters Jan Brueghel d. Ä. mit Joos de Momper d. J. „Weite Berglandschaft mit Reisenden“, reüssierte bei ihrer Obertaxe von 120.000 Franken. Jan van Goyens schöne „Flusslandschaft“ von 1642 triumphierte mit einem Zuschlag bei 105.000 Franken, deutlich über der Schätzung von 60.000 bis 80.000 Franken.
Königliche Provenienz
Für eine Überraschung sorgte eine stimmungsvolle Winterlandschaft mit Eisläufern von Barent Avercamp: Das 44 mal sechzig Zentimeter messende Gemälde befand sich einst in russischem Adelsbesitz in der Sammlung von Kyrill Wladimirowitsch Romanov, einem Enkel von Zar Alexander II.; es wurde auf 80.000 Franken (25.000/35.000) angehoben.
Mit einer königlichen Provenienz kann Jean-Baptiste Greuzes nur siebzehn mal vierzehn Zentimeter kleines „Bildnis eines Kindes“ aufwarten, gehörte es doch zur Sammlung der Königin Charlotte Mathilde von Württemberg: Dargestellt ist vermutlich der Neffe der kinderlosen Königin, Octavius von Großbritannien, der im Alter von vier Jahren an Pocken starb. Mit 40.000 Franken (12.000/18.000) überstieg das Porträt seine Schätzung weit.
Unter den Angeboten des 19. Jahrhunderts triumphierte Carl Spitzweg gleich doppelt: Sein amüsanter „Militärposten im Frieden“ von 1856 wurde mit 190.000 Franken (150.000/250.000) zum Toplos der Offerte, und sein „Memorierender Landpfarrer“ um 1840 vervierfachte gar seine Untertaxe mit 100.000 Franken. Auch Franz Xaver Winterhalters Bildnis „Die schöne Amerikanerin“ überflügelte seine Erwartung mit 115.000 Franken (30.000/40.000), ebenso wie Gustave Courbets Stillleben mit Ringelblumen, das 78.000 Franken (20.000/30.000) brachte. Eine Hafenansicht Trouvilles von Eugène Boudin blieb mit 45.000 Franken (60.000/80.000) hinter der Erwartung zurück.
Bei den Zeichnungen Alter Meister sorgte das Porträt einer Frau im Seitenprofil von einem unbekannten italienischen Meister um 1600 für die höchste Steigerung: Ursprünglich auf 900 bis 1200 Franken geschätzt, fiel der Hammer für die kleine Federzeichnung erst bei 32.000 Franken. Insgesamt setzten die „Fine Art“-Auktionen 5,7 Millionen Franken um, die Erwartungen lagen bei vier Millionen.