Film über Helge Achenbach : Beim netten Schwindler von nebenan
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Inzwischen auch Maler: Helge Achenbach Bild: Bildersturm Filmproduktion
Sein Millionenbetrug brachte den Kunstberater Helge Achenbach in die Schlagzeilen und hinter Gitter. Nun erliegt der Dokumentarfilm „Der Illusionist“ seinem Charme.
Der Einzige, der sich hier allem Anschein nach nicht einwickeln lassen möchte und irgendwann regelrecht genervt wirkt vom Thema, ist der Galerist und Gründer des Kölner Kunstmarkts, Rudolf Zwirner: Achenbach habe überhaupt keine Ahnung – gemeint ist: von Kunst –, aber immer gewusst, was Geld bringe. So werde man eben zum „Medienstar“, ätzt der inzwischen der jüngeren Generation das Feld überlassende Doyen des deutschen Kunsthandels. „Und wir sitzen schon wieder hier und reden schon wieder über ihn!“
Über wen? Über Helge Achenbach, den Mann mit der geschmeidigen Berufsbezeichnung des „Kunstberaters“, der bis vor rund zehn Jahren von Düsseldorf aus das ganz große Kunstkaufrad schwang für Unternehmen und Milliardäre, sich in seinen Nobelrestaurants mit Polit- und Wirtschaftsprominenz, Filmstars, Models, Künstlern, Sammlern und Schickeria unterhakte und dem dann sein Millionenbetrug zum Verhängnis wurde.
Auf Shoppingtour in Sachen Kunstsammlung für den Aldi-Erben Berthold Albrecht strich Achenbach nicht nur die ihm allzu discountermäßig erschienenen fünf Prozent Kommission vom Kaufpreis der Kunstwerke ein, die er vermittelte, sondern hob den Satz in Eigenregie kräftig an. Ein bisschen Urkundenfälschung, schon hatte ein Bild Kokoschkas statt tatsächlich 80.000 Euro angeblich 90.000 gekostet, und in Achenbachs Taschen wanderten statt 4000 Euro 14.500. So ging es munter weiter, bis rund 20 Millionen Euro zusammengekommen waren. Zwei Jahre nach Albrechts Tod flog das Ganze auf. Seine Witwe brachte den Kunstberater vor Gericht; 2015 wurde er zu sechs Jahren Haft verurteilt.
Völliges Einverstandensein mit sich selbst
Man muss das alles schon wissen, wenn man gleich verstehen will, worum es in dem Dokumentarfilm „Der Illusionist“, den Birgit Schulz über den Fall Achenbach gedreht hat, eigentlich geht. Das Ganze beginnt als in der Großwetterlage gespiegelte Privatapokalypse: Quasi im Sog des Sturmtiefs Ela fliegt Achenbach 2014 mit seiner damaligen Ehefrau Dorothee aus Amerika in Düsseldorf ein und wird noch am Terminal verhaftet.
Die Bilder geballter Wolken, in die hinein Dorothee Achenbach Erinnerungen an den „Tsunami“ gegen die familiäre Existenz spricht, sind visuell das Eindrücklichste des Films, der sich in seiner Substanz als Podcast gut gemacht hätte. Statement reiht sich an Statement, zuweilen in Zwiesprache oder szenisch aufgelöst.
Es treten auf: Dorothee Achenbach, Kunsthistorikerin, inzwischen Ex-Frau und (was unerwähnt bleibt) Autorin der autobiographischen Bücher „Meine Wäsche kennt jetzt jeder“ und „Ich liebte Sträfling No. 1“ in der Rolle der Mitbetrogenen, die den Tränen nahe sagt, sie wolle „nur Frieden“; bereits erwähnter Rudolf Zwirner, besetzt als Vertreter des Kunstmarkt-Establishments in Abgrenzung zum windigen „Berater“; der Galerist Johann König, der die Gelegenheit nutzt, sich als Verfechter transparenten Handelns zu empfehlen, und Achenbach ein klein wenig kritisch befragt (ohne eine vernünftige Antwort zu erhalten); Heinz Baumüller, ein Künstler und Baumeister, dem Achenbach etwa zu einem Auftrag für ein Jeff-Koons-Projekt verhalf und der nun mit breitem Lächeln sagt, Achenbach hätte auch mit Kunstdünger Geld machen können; der einstige „Bild“-Chef Kai Diekmann, der auf das Zusammenspiel von Glamour und Kunstwelt verweist. Und schließlich ist da ein Jugendfreund mit Fotos von einer Südfrankreichreise in den Siebzigern, als Achenbach, damals Student des nicht gerade Großkarrieren prophezeienden Studiengangs der Sozialpädagogik, schon alle um die Finger wickelte. So sei der halt gewesen, der Helge, irgendwie ohne Tiefgang, aber deshalb sei ihm wohl alles Mögliche leichtgefallen.
Ohne Tiefgang gleitet auch der Film dahin, der bei der Albrecht-Sache bleibt, über Achenbachs Betrug am Unternehmer Christian Boehringer, die Rheingoldsammlung oder Kooperation mit der Berenberg Bank kein Wort verliert und kein Interesse an Opferperspektiven zeigt. Stattdessen redet vor allem Achenbach über sich selbst. Und weil der Kunstberater ein sehr guter Erzähler mit angenehmer Stimme ist, der stets zugewandt völliges Einverstandensein mit sich selbst ausstrahlt, obwohl er die Sache mit dem Millionenbetrug schon irgendwie „bescheuert“ findet und in der Haft gelitten hat, lässt sich die Filmemacherin charmieren.
Keine Sorge!
Die Story kocht darauf herunter, dass zum Missfallen des als Säulenheiligen der Düsseldorfer Kunstszene immer wieder herbeizitierten Joseph Beuys („soziale Plastik“) zeitgenössische Kunst als Anlageform und Trophäe immer gefragter wurde und Leute auf der Suche nach „Wandaktien“ anzog: Leute wie Achenbach, den faszinierte, dass Künstler aus praktisch nichts „imaginäre Werte“ schaffen. Als Galerist zog er los auf der Suche nach Baukränen.
Wo immer Banken, Versicherungen oder andere Großunternehmen etwas hochzogen, war er da, Raumausstatter für Kunst am Bau: Er hatte eine enorm lukrative Nische gefunden zwischen Kapital und Kunst, war mit Gerhard Richter in Ägypten, mit VW im Museum of Modern Art und kannte überhaupt alle und jeden als begnadeter Vernetzer. Von seinen früheren Geschäftspartnern oder Details aus dem Kunsthandelsbetrieb erfährt man kaum etwas, der große Betrug wird eigentlich als Witz erzählt: Warum nicht einem superreichen Knauserer ein paar Milliönchen abknöpfen?
Im Gefängnis sei er als „Robin Hood“ bewundert worden, weiß seine Kunsttherapeutin. Ja, Achenbach, seit 2018 wieder frei, malt inzwischen Landschaften in der Tradition Ferdinand Hodlers und Caspar David Friedrichs, darf nur 1200 Euro im Monat verdienen, lebt aber offenbar ganz gut auf einem Hof, wird vom Springer-Verlag wieder nett behandelt und engagiert sich für einen Skulpturenpark an einem Baggersee. Wenn er darüber mit dem Sparkassenchef parliert, wird klar: Um diesen Mann muss man sich keine Sorgen machen.