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Auf der Kunstmesse BRAFA : Jugendstil und all die anderen Stile

Pracht vergangener Zeiten am Stand der Kunsthandlung Röbbig München, darunter ein von Johann Joachim Kaendler entworfenes Meißener Löwenpaar für 35.000 Euro Bild: BRAFA

Hier ist wirklich für jeden Geschmack etwas geboten: Die Kunst- und Antiquitätenmesse BRAFA in Brüssel schwelgt im Art Nouveau und der Kultur der Vielfalt.

          3 Min.

          Was macht Lust darauf, Kunst oder kunstvoll gestaltete Gegenstände zu erwerben? Wie weckt man Begeisterung für Mid-Century-Möbel, römische Porträtbüsten, Comics oder flämische Altmeister gleichermaßen? Die Kunst- und Antiquitätenmesse BRAFA in Brüssel antwortet mit emphatischem Eklektizismus. Hier kommt zusammen, was in Museen streng getrennt bliebe, in Wohnungen aber glücklich zueinanderfinden kann: japanische Malerei der Gegenwart, französische Skulptur des 19. Jahrhunderts, Tapisserie des Barocks – die Reihe ließe sich fortsetzen durch Dutzende Spezialgebiete, aus denen 130 internationale Aussteller der Messe schöpfen. Mehr als 10.000 Objekte haben sie im Schatten des Atomiums in der Brüsseler Expo zusammengetragen, deren Messedesign diesmal, vom Teppich angefangen, auf das Kunstthema des Jahres in Belgiens Kapitale anspielt: den Jugendstil.

          Ursula Scheer
          Redakteurin im Feuilleton.

          „Barcelona hat Gaudí, wir haben Horta“, lautet ein Motto, und so hat der Architekt Victor Horta, dem Brüssel seine bedeutendsten Jugendstilbauten verdankt, nicht nur eine Schlüsselrolle in diesjährigen Schauen und Veranstaltungen, sondern rahmt mit seinen Skizzen auf der Auslegeware in den Expohallen auch das BRAFA-Angebot. Ewig jung fühlt sich die 1956 gegründete und postpandemisch auf den Stammplatz im Januar zurückgekehrte Messe ohnehin; dem Aufbruchsstimmung verbreitenden Jugendstil huldigen auch Aussteller.

          Art Nouveau bei  Dr. Lennart Booij: Keramikvase mit floraler Emaille- und Gold-Dekoration von Emile Gallé aus dem Jahr 1889
          Art Nouveau bei Dr. Lennart Booij: Keramikvase mit floraler Emaille- und Gold-Dekoration von Emile Gallé aus dem Jahr 1889 : Bild: BRAFA / Dr. Lennart Booij

          Wie ein Salon der vorvergangenen Jahrhundertwende mutet der Stand von Florian Kohlhammer aus Wien an und prunkt mit einem Arrangement irisierender Glasvasen. Sie entstammen der böhmischen Manufaktur Johann Loetz Witwe. Von musealer Qualität ist ein Exemplar aus dem Jahr 1902 mit tropfenförmigen Verstärkungen, das der Künstler Koloman Moser entworfen hat (76.000 Euro). Die Amsterdamer Galerie Dr. Lennart Booij Fine Art & Rare Items, spezialisiert auf Lalique, hat eine mit Blütenzweigen in Emaille und Gold verzierte Keramikvase Émile Gallés, des bekanntesten französischen Kunsthandwerkers des Art nouveau, mitgebracht. Womöglich wurde sie 1889, im Jahr ihrer Entstehung, auf der Weltausstellung in Paris präsentiert (Preis auf Anfrage).

          Mit einer Jugendstilpreziose wartet auch Epoque Fine Jewels aus Kortrijk auf: Für eine um 1902 unter Verwendung von Opal und Emaille von Philippe Wolfers gefertigte Pfauenbrosche, die als Mittelstück einer originalgetreu rekons­truierten Tiara getragen werden kann, interessierten sich bereits ein Museum und eine Privatperson, erzählt der Händler Bart Peers – und gesteht, dass es ihm immer ein wenig das Herz breche, wenn er sich von einem solchen Stück trennen müsse.

          Sammelleidenschaft gepaart mit Forschergeist treibt auch den Pariser Pascal Cuisinier an, einen studierten Architekten und Kunstphilosophen, der sich als Händler auf einem ganz anderen Feld spezialisiert hat: Möbeldesign von französischen Pionieren der Fünfzigerjahre. Seine Messebox gleicht einer Zeitkapsel, in der Robert Mathieus grazile Lampen mit Kontergewichten über einem Sekretär von Pierre Paulin absolute Gegenwärtigkeit ausstrahlen (Preise auf Anfrage). Die größte Schwierigkeit, vor der Händler wie er stehen? Dass heute das Zurschaustellen von Wiedererkennbarem mehr zähle als die Freude an der Kennerschaft, sagt Cuisinier.

          Mid-Century-Eleganz: Damensekretär von Pierre Paulin aus dem Jahr 1958 bei Pascal Cuisinier, 25.000 Euro
          Mid-Century-Eleganz: Damensekretär von Pierre Paulin aus dem Jahr 1958 bei Pascal Cuisinier, 25.000 Euro : Bild: Galerie Pascal Cuisinier

          Für den Messe-Veteranen und -Generalsekretär Christian Vrouyr, dessen Antwerpener Galerie in vierter Generation das schwierige Geschäft mit Teppichen betreibt, machen unerwartete Begegnungen einen besonderen Reiz der BRAFA aus. Am Stand seiner Kollegen bei De Wit Fine Tapestries aus Mechelen schaukelt eine Hängematte – von Alexander Calder (45.000). Neben Schmuck offeriert The Collectors’ Gallery (Brüssel) Blütenmodelle aus Holz und Pappmaché, die bis 1927 für den Botanik-Unterricht von der Firma Robert Brendel hergestellt wurden (ab 2500). Auch das kann, wer will, als Beitrag zum Jugendstilmotiv wahrnehmen oder sogar Germaine Richiers aufregende Frau-Fledermaus-Skulptur „La Chauve-souris“ von 1946 für 1,8 Millionen Euro bei der Galerie de la Béraudière aus Brüssel.

          Nur 13 neue Aussteller hat die BRAFA eingeladen; man setzt auf Kontinuität. Ein wiederkehrender Gast ist Röbbig München – neben Die Galerie aus Frankfurt, Samuelis Baumgarte aus Bielefeld und Dr. Nöth aus Ansbach einer von vier Händlern aus Deutschland auf der Messe. Ein Löwenpaar aus Meissener Porzellan für 350.000 Euro, 1748 von Johann Joachim Kaendler modelliert, wenig später ausgeformt und auf Bronzemontierungen staffiert, sind Prachtstücke des mit Möbeln, Gemälden und Objets d’art aus der Zeit Ludwigs XIV. bis XVI. und des Empire bestückten Pavillons von Röbbig. Nebenbei gibt es Einrichtungstipps vom Galeristen: Porzellan oder andere schöne Dinge auf Konsolen an der Wand dekorieren statt in einer Vitrine verstecken – warum nicht?

          Halb Frau, halb Fledermaus: Germaine Richiers knapp einen Meter hohe Bronzeskulptur „La Chauve-souris“ von 1946, Edition von 8, bei der Galerie de la Béraudière kostet 1,8 Millionen Euro.
          Halb Frau, halb Fledermaus: Germaine Richiers knapp einen Meter hohe Bronzeskulptur „La Chauve-souris“ von 1946, Edition von 8, bei der Galerie de la Béraudière kostet 1,8 Millionen Euro. : Bild: Galerie de la Béraudière

          BRAFA Art Fair. Brüssel Expo, Hallen 3 und 4, bis 5. Februar, Eintritt 25 Euro, Katalog 20 Euro

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