Kronleuchter von Giacometti : Wie aus 250 Pfund Millionen werden
- -Aktualisiert am
Auf bis zu 2,5 Millionen Pfund taxiert: Alberto Giacomettis „Kronleuchter für Peter Watson“, Entwurf 1946/47, Guss 1947/49, patinierte Bronze, Unikat Bild: CHRISTIE'S IMAGES LTD. 2023
Ein Schnäppchen aus einem Londoner Antiquitätenladen ist einer der Stars bei den kommenden Londoner Abendauktionen von Christie's: Die abenteuerliche Karriere eines Kronleuchters von Alberto Giacometti.
Es ist der Traum eines jeden, der gerne in Antiquitätengeschäften stöbert: zwischen allerlei hübschen Mittelmäßigkeiten ein verkanntes Meisterwerk zu erspähen und zum Schnäppchenpreis zu ergattern. Für den britischen Maler John Craxton wurde er wahr, als er in den Sechzigerjahren einen Laden in der Londoner Marylebone Road betrat, einen ungewöhnlichen Kronleuchter sah – und ihn als Werk Alberto Giacomettis erkannte.
250 Pfund legte Craxton auf den Tisch und schmückte mit dem Leuchter bis zu seinem Tod 2009 den Musikraum seines Hauses in Hampstead. Eine glückliche Investition: Bald könnte der Kronleuchter bei seiner Auktion 1,5 bis 2,5 Millionen einspielen. So hoch liegt die Schätzung bei Christie’s für das nach Prüfung durch die Fondation Giacometti dem Künstler fest zugeschriebene Werk, das am 28. Februar, vom Craxton Memorial Trust eingeliefert, im Rahmen des „20th/21st Century: London Evening Sale“ zum Aufruf kommt.
Die Taxe ist eher konservativ, spielte ein anderer Kronleuchter Giacomettis doch 2018 bei Sotheby’s in London 7,6 Millionen Pfund mit Aufgeld ein. Allerdings zeigt das damals versteigerte Objekt eine für den Bildhauer typische überschlanke Frauenfigur im Zentrum der Konstruktion und zwei männliche Gestalten auf den ausladenden Elementen, wo Blattformen Halter für Leuchtmittel umhüllen. Solche der Natur entlehnten Elemente finden sich in kleinerem Format auch bei dem nun angebotenen Leuchter aus braun patinierter Bronze, doch keine menschlichen Gestalten. Die Konzeption ist fast völlig abstrakt und weckt in ihrer Rustikalität Assoziationen an mittelalterliche Waffen.
Drei spitz zulaufende, bewegliche Lampenstäbe ordnete Giacometti horizontal über einer hohlen Kugel mit runden Aussparungen an. Die Kugel erinnert an seine surrealistische Skulptur „Boule suspendue“ von 1931. Das hebt die Lampe heraus aus dem halben Dutzend überlieferter Leuchter des Künstlers, für die er in der Rolle des Designers Figur und Raum spielerischer ordnete denn als Bildhauer.
Auch die Herkunftsgeschichte dürfte Bieter motivieren. Entstanden ist das rund 135 mal 150 Zentimeter messende Stück um 1947 im Auftrag eines Freundes und Förderers des späteren Finders Craxton: für den Kunstsammler Peter Watson. Er hängte den Leuchter in den Räumlichkeiten des von ihm mit herausgegebenen Kulturmagazins „Horizon“ auf. Als das Heft 1949 eingestellt wurde, landete der Leuchter vermutlich in einem Lager – und kam auf Umwegen Jahre nach Watsons Tod in besagtes Antiquitätengeschäft.