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Auktionen im Kinosaal : Bielefelder Fleißarbeiter

  • -Aktualisiert am

„Owl“ steht für Ostwestfalen-Lippe: Wie ein kleines Auktionshaus in der Provinz die Konkurrenz überrascht. Ein Besuch in Bielefeld.

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          „Machen wir uns nichts vor“, sagt Thomas Sauerland, „wir sind hier immer noch Provinz!“ Der Ort ist Bielefeld, von dem ein Internetforum standhaft behauptet, dass er gar nicht existiere und alle gegenteiligen Behauptungen Ergebnis einer Verschwörung seien. Das kleine „OWL Auktionshaus“ gibt es aber, gelegen an einer Seitenstraße mitten in der Altstadt. OWL steht für Ostwestfalen-Lippe, und die beiden Gründer und Eigentümer, Thomas Sauerland, geboren 1964 in Gera, und Thomas Stürmann, geboren 1966 in Bad Driburg, wählten den Namen aus, um über Bielefelds Grenzen hinaus ins erweiterte Umland zu verweisen. Inzwischen hat sich der Name allerdings verselbständigt: Kunden verstanden „Owl“ als Hinweis auf die weise Eule. Das nahmen die Gründer verschmitzt zur Kenntnis und die Eule zum Logo.

          Wie kommt ein kleines, 2002 gegründetes unprätentiöses Provinzauktionshaus innerhalb von wenigen Jahren zu einer ansehnlichen internationalen Kundschaft? Beide Gründer stammen aus alten Kaufmannsfamilien, beide haben kaufmännische Ausbildungen absolviert. Der Großvater von Thomas Sauerland war im thüringischen Gera ein bekannter Münz- und Medaillenhändler. Kein Zufall also, dass auch sein Enkel seinen durch lange und konkrete Praxiserfahrung geschulten Blick auf Qualität richtet.

          Lohnende Fleißarbeit

          Wohlmeinende Kollegen nahmen das kleine Unternehmen aber zunächst nicht ernst. Einige seien unaufgefordert mit gefüllten Transportern voller Ware gekommen, die bei ihnen Ladenhüter gewesen seien, in der Annahme, die Neulinge freuten sich darüber, erzählen sie. Auch bei der Sichtung von Nachlässen geschieht ihnen Ähnliches: Die Sahnestücke sind längst den größeren Auktionshäusern übergeben worden, ihnen wird der bröselige Rest angeboten.

          Es bedeute also viel Fleißarbeit, die guten Dinge zu finden, so Sauerland, und es brauche ebensolchen Fleiß, die Angebote dann zu bewerben, Exposés zu schreiben und ganz gezielt Museen und Sammlern anzubieten. In ihren Katalogen legen sie Wert auf exakte Beschreibungen: Die Qualität wird ebenso benannt wie die Beschädigungen.

          Mit Lässigkeit zum Erfolg

          Von Anfang an ruht das Unternehmen auf einer soliden Basis von Eigenkapital, das nicht angerührt wird. Einzig die Provision bleibt zur Finanzierung des laufenden Geschäfts. Der Betrieb erfolgt durch die Partner und ihre Frauen, von der Akquise bis zur Katalogproduktion, vom Abholen der Objekte bis zum Postversand: „Wir sind klein und wollen es auch bleiben.“ Die Wege im Geschäft sind kurz, der Rundgang durch die Räume ist schnell erledigt: Der von zwei Seiten von großen Schaufenstern erhellte Laden, in dem im Alltag eine Auswahl präsentiert wird wie in einem Antiquitätengeschäft, dient vor den Auktionen der Vorbesichtigung. Zwei Büros. Das ist es schon. Diese Übersichtlichkeit entspricht der entspannten und gleichzeitig aufs Wesentliche konzentrierten Haltung der Betreiber.

          Die jungenhafte Lässigkeit, so merkt man schnell, hat viel mit ihrem Erfolg zu tun: Wenn gelegentlich Objekte aufgenommen werden, die zum Beispiel in rheinischen Häusern durchgefallen waren, erreichen sie oft Zuschläge erheblich oberhalb der ursprünglichen Schätzung. „Was für die großen Häuser als Mittelware gilt und daher gelegentlich übersehen wird“, sagt Sauerland, „gehört hier zu den Höhepunkten.“

          Von Antiken bis zur Klassischen Moderne

          Das Auktionshaus konzentriert sich auf Antiquitäten und Kunst bis zur Klassischen Moderne. Was oft undurchschaubar unter den Namen Picasso, Schwitters und Dalí angeboten wird, wird tunlichst gar nicht erst angenommen. Das alles, und die fehlende Konkurrenz in der Stadt, führt zu höchst populären Versteigerungen: Zwei Haupt- und zwei Varia-Auktionen werden jedes Jahr veranstaltet und finden in einem alten Kinosaal in der Nähe statt, dessen 200 Sitze stets gefüllt sind. Die Varia-Auktionen sind unlimitiert, was einem Ritt über den Bodensee gleichzukommen scheint.

          Aber so gut wie nichts wird unter 100 Euro zugeschlagen. Mit dem Nachverkauf kam das Unternehmen bislang auf eine Verkaufsquote um die neunzig Prozent: Im Mai reüssierten so unterschiedliche Objekte wie ein antiker schwarzfiguriger Kolonettenkrater, der auf 1500 Euro geschätzt war und nach heftigem Bieten von einem französischen Telefonkunden auf 6000 Euro gehoben wurde, und eine kleine Caféhausszene in Öl des Niederländers Franziskus Wilhelmus Helfferich, die sich durch holländischen Handel gar von 300 auf 4700 Euro verteuerte. Ein Italiener sicherte sich für 7500 Euro (Taxe 1300 Euro) eine impressionistische Ansicht von Chioggia des Luigi Pagan.

          Kürzlich hätten sie eine seltene von Adolf Loos entworfene Lampe zu einem marktangemessenen Preis angeboten. Sie wurde zum Ausrufpreis zugeschlagen. Danach riefen gleich mehrere Wiener Händler an und fragten, ob sie die Lampe im Nachverkauf erwerben könnten. Seither werden diese Kunsthändler die Auktionen mit mehr Aufmerksamkeit verfolgen. Kürzlich wurde OWL eine Sammlung aus Wien angeboten. Die Einlieferin berichtete, sie habe ihre Sammlung zum Großteil im Dorotheum erworben und sie daher dort auch angeboten. Doch sie wurde abgelehnt. „Owl“ übernahm und hatte Erfolg - das meiste erwarb Wiener Handel.

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