Fälschungsverdacht bei Van Ham : Auktionshaus nennt Zeitnot als Grund für fehlende Prüfung der Provenienz
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Restituiert an die Erben seiner jüdischen Vorbesitzer, nun auf dem Markt: Lovis Corinth, „Stillleben - Rote und rosa Rosen in Vase auf Tischtuch“, 1913, Öl auf Leinwand, 81,5 mal 65,5 Zentimeter, Taxe 250.000 bis 300.000 Euro. Bild: Van Ham
Kurz vor seinen Versteigerungen moderner und zeitgenössischer Kunst zog Van Ham neun Lose zurück – wegen Fälschungsverdachts. Welche Schritte hat das Auktionshaus eingeleitet? Und welche Highlights kann es weiterhin bieten?
„Peanuts“, könnte man mit dem verstorbenen früheren Chef der Deutschen Bank, Hilmar Kopper, sagen, dessen Sammlung auch betroffen ist, doch eine ärgerliche Knabberei bleibt es für Van Ham doch, selbst wenn es nicht um Millionenwerke geht: Neun Lose zog das Kölner Auktionshaus aus der Sektion „Modern“ seiner für den 1. Juni geplanten Veranstaltungen mit moderner und zeitgenössischer Kunst zurück. Es handelt sich um den russischen Avantgardisten Ljublow Popowa, Wassili Jermilow, El Lissitzky, Aristarch Lentulow und Ilja Tschaschnik zugeschriebene Arbeiten. Drei weitere stammen aus der Sammlung Kopper, sechs weitere, darunter ein zunächst auf 150.000 bis 200.000 taxiertes Ölbild mit der Zuschreibung Lentulow, aus der Kollektion des früheren Siemens-Aufsichtsratschefs Gerhard Cromme.
Der Hinweis, dass die Werke womöglich Fälschungen sein könnten, sei von der Polizei gekommen, lässt Van Ham wissen und nennt als einen Ansatzpunkt die Provenienz Kurt Benedict, Berlin. Benedict war Ko-Direktor der Galerie Van Diemen, in der 1922 die wirkmächtige „Erste Russische Kunstausstellung“ stattfand. Die spätere Berufung auf Benedict in Hinblick auf russische Avantgardisten wurde schon vor Jahrzehnten in dieser Zeitung mit Fragezeichen versehen, abermals 2017 in der „Zeit“.
„Van Ham war diese Provenienz bislang nicht bekannt“, teilt das Auktionshaus mit und verweist auf Zeitnot: Die zurückgezogenen Werke seien „wenige Tage“ vor Drucklegung des Katalogs eingereicht worden. „Zusammenfassend müssen wir feststellen, dass keines der Werke ohne Abschluss der Recherchen und naturwissenschaftlichen Untersuchungen in den Katalog hätte aufgenommen werden sollen“, heißt es nun. Die Arbeiten würden in die Datenbank Kritischer Werke eingetragen, die fraglichen Objekte aus der Sammlung Kopper der Forschung – wem, sei noch nicht klar – zur Analyse übergeben.
Unter den verbliebenen 109 Losen der Auktion „Modern“ dürfte Lovis Corinths prachtvolles Stillleben von 1913 mit roten und rosafarbenen Rosen in einer Vase große Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Es wurde kürzlich von den Königlichen Museen in Brüssel an die Erben seiner jüdischen Vorbesitzer, des Frankfurter Ehepaars Gustav und Emma Mayer, restituiert. Nun ist es auf 250.000 bis 300.000 Euro taxiert. Aus der Sammlung Hilmar Kopper kommt eine von vier Lebzeitgüssen in Bronze einer „Javanischen Tänzerin“ von Georg Kolbe (Taxe 200.000 bis 300.000 Euro). Ein anderes Exemplar der Figur stieg vergangenes Jahr bei Ketterer in München auf 520.000 Euro. In der Sektion „Post War“ sticht Gerhard Richters „6.2.88“ heraus (180.000/300.000), bei „Contemporary“ ein „Kopf“ in Öl auf Leinwand (80.000/120.000), den der 2016 verstorbene Marwan 2004 schuf, sowie ein frisches NFT zu einer virtuellen Skulptur von Manuel Rossner (3000/5000).
Die Insolvenzauktion des verstorbenen Berliner Galeristen Michael Schultz versammelt 37 Lose, darunter Gemälde von Cornelia Schleime und eine feine zeichnerische Collage der Koreanerin SEO: „Ohne Titel“ von 2001 soll 30.000 bis 50.000 Euro bringen. Eine Benefizauktion für die Ukraine rundet die Veranstaltungen am 1. Juni ab, bevor am 9. Juni in einer Tagesauktion die Versteigerungen aus der Sammlung Thomas Olbricht fortgesetzt werden: mit dreihundert Positionen zeitgenössischer Kunst.