Auktion in München : Von Menschen, die mit der Zeit gingen
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Taxiert auf 100.000 bis 120.000 Euro: Lucas Cranach der Ältere und Werkstatt, „Philipp Melanchthon“, Öl auf Holz, 20,6 mal 15,1 Zentimeter Bild: Neumeister
Eine Armbanduhr von Thomas Mann und ein Bild Melanchthons aus der Cranach-Werkstatt gehören zu Neumeisters breitgefächertem Angebot alter, neuer und angewandter Kunst im Dezember.
Eine besondere Armbanduhr kommt bei Neumeister während der Auktionen alter, moderner und angewandter Kunst am 7. und 8. Dezember zum Aufruf: Obwohl es sich von keinem berühmten Hersteller stammt, ihre Vergoldung ein wenig abgeplatzt ist und das Zifferblatt teilweise oxidiert, dürfte sie ihre Taxe von 1200 bis 2200 Euro übertreffen, denn sie zeigte einst Thomas Mann die Zeit an. Dessen Enkel Frido Mann bringt das Erbstück zum Verkauf. Der Erlös soll einem interreligiösen, friedensfördernden Netzwerks zugutekommen.
Eine feine Provenienz begleitet auch das auf 1543 datierte Brustbild Philipp Melanchthons, das Lucas Cranach der Ältere und Werkstatt geschaffen haben: Es gilt als Geschenk des Kronprinzen Maximilian von Bayern an Friedrich Wilhelm von Schelling zu dessen siebzigsten Geburtstag. Nachfahren des Philosophen lieferten das Werk zur Auktion ein. Die fleißig Bildnisse der Wittenberger Reformatoren produzierenden Cranachs malten den Universitätslehrer Melanchthon ebenso wie seinen engen Freund und Vertrauten Martin Luther häufig und in vielen Lebensaltern.
Das digitale Corpus Cranach führt zu dem hier vorliegenden Typus des Sechsundvierzigjährigen mit schwarzer Kappe eine ganze Reihe von Versionen, manche in großen Sammlungen wie den Uffizien, auf (Taxe 100.000 bis 120.000 Euro). Weiter geht es mit Nobelporträts des 18. Jahrhunderts. Da konterfeite Antoine Pesne die hübsche Gräfin Maria Magdalena von Dönhoff, Nachfolgerin der Gräfin Kosel, als „Maîtresse en titre“ August des Starken (7000/9000), während Johann Georg Ziesenis die weniger offenherzig und mit Hut gekleidete Sachsen-Meinigen-Prinzessin Marie Charlotte vor ihrem Stickrahmen zeigt (15.000/20.000).
Eine Maria mit Kind, rheinisch, um 1420 vollrund geschnitzt, führt mit einer Erwartung von 60.000 bis 80.000 Euro die Skulpturen an. Ein Jahrhundert später fertigte der Meister von Rabenden eine Holzskulptur Johannes des Täufers, die in der Nachlassauktion Rudolf Neumeister 2019 noch zur dreifachen Obertaxe antrat (30.000/40.000). Ausdrucksvoll schildert ein Tiroler Meister den schwertschwingenden Henker und neben ihm die Heilige Katharina, die auf Knien betend ihrer Enthauptung harrt (9000/10.000).
Viele günstig vierstellig taxierte Werke der Münchner Schule füllen die Offerte zum 19. Jahrhundert. Etwas mehr erfordert mit 12.000 bis 15.000 Euro Carl Spitzwegs tiefe Schlucht mit Bauernhaus und Bach. Den Arnhemer Anton Sminck Pitloo hingegen zog es nach 1815 an die sonnige „Küste von Neapel“ (10.000/12.000). Winter herrschte in Dresden, als Conrad Felixmüller 1934 am Fenster seiner Wohnung den Blick auf Dächer und Gärten bei „Tauschnee“ malte; das Werk, lange im Besitz des Künstlersohns Titus, rangiert mit einer Taxe von 40.000 bis 60.000 Euro unter den Toplosen der klassischen Moderne.
Gleich zwei Gemälde repräsentieren den Fauvisten Louis Valtat: „Getreidefelder in der Normandie“, gemalt um 1922 (15.000/20.000) und ein farbenfrohes „Blumenstillleben“ (20.000/ 30.000). Auch eine von Ernst Wilhelm Nays acht Gouachen der Serie „Frau mit Kind im Herbst“ von 1946 ist von kraftvoller Farbigkeit geprägt (30.000/ 40.000). Freunde der Kunst Bernard Buffets dürfte seine „Casserole rouge“ von 1955 interessieren (20.000/ 30.000). Werke des lettischen Künstlers Normunds Braslins erzielten bei Neumeister schon mehrfach hohe Zuschläge; sein „White Room“ von 2013, ein in der Art altmeisterlicher Feinmalerei ausgeführter weiblicher Rückenakt, soll 8000 bis 12.000 Euro einspielen.