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Auktion im Kinsky : Im frischen Labyrinth

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Ein leuchtendes Aquarell von Friedensreich Hundertwasser steht an der Spitze der „Großen Sommerauktion“ im Kinsky in Wien. Bei der Klassischen Moderne gibt es Skizzen von Egon Schiele und Gustav Klimt.

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          Was steckt wohl dahinter? Diese Frage geht mit den Übermalungen von Arnulf Rainer stets einher. Das geht so weit, dass man Darunterliegendes sucht, wo nur leere Malfläche ist. So zum Beispiel bei Rainers Gemälde „Eitler Vogel“, das in der „Großen Sommerauktion“ vom 6. bis zum 8. Juli im Wiener Kinsky unter den Hammer kommt. Halbkreisförmig und pastos hat der Künstler 1981/82 mit Pinsel und Fingern Ölfarbe auf einem Karton verteilt. Das kraftvolle Ergebnis gleicht einer bunten Federkrone. Entgegen der Erwartung verbirgt sich unter dem auf 35.000 bis 70.000 Euro geschätzten Farbkranz keine selbstgefällige Figur. Unter den rund 280 Zeitgenossen-Losen am 8. Juli sind ein gutes Dutzend Papierarbeiten Rainers vertreten. Dazu zählt auch ein Performance-Foto aus der Serie „Body Painting“ von 1968, das er farblich-expressiv akzentuiert hat (Taxe 15.000/30.000 Euro).

          Beim Spitzenlos handelt es sich um Hundertwassers übermalte Lithographie „Galerie Kamer – Frischgefundenes Labyrinth“; der Künstler, der zur Entstehungszeit in Paris lebte, verwendete dafür einen eigenen Probedruck. Das 61 mal 45 Zentimeter große Aquarell entfaltet mit seinen durchscheinenden Grün- und Rottönen eine frische Leuchtkraft, die nicht unter 150.000 bis 200.000 Euro zu haben sein soll. Von Hermann Nitsch hat das Kinsky eine untypische Mischtechnik aus dem Jahr 1984 in petto: Auf dem Braun von getrocknetem Blut leuchten bunte Linien und geometrische Formen, die dem organischen Chaos zuwiderlaufen (100.000/200.000). Außerdem wird vom Erfinder des „Orgien Mysterien Theaters“ ein zwei mal drei Meter großes „Schüttbild“ in leuchtendem Rot geboten (60.000/120.000). Unter dem Titel „Tischbeins Stuhlgang“ hat Günter Brus 1980 eine dreißigteilige Bild-Dichtung gezeichnet, die comichaften Charme zeigt (60.000/120.000). Der Kärntner Maler Hans Bischoffshausen wurde maßgeblich von der „Gruppe Zero“ geprägt; 1961 schuf er ein weißes Monochrom mit einer zentralen, reliefartigen Gitterstruktur, die aus belgischem Privatbesitz eingebracht wurde (50.000/80.000).

          Die Offerte der Klassischen Moderne, ebenfalls am 8. Juli, wird durch ein frühes Männerporträt von Richard Gerstl eröffnet. Das „Bildnis Waldemar Unger II“ von 1902/03 (150.000/250.000) lässt zwar noch nicht den späteren Expressionisten erkennen, befand sich aber dafür früher im Besitz des Sammlers Rudolf Leopold; seit 1985 befand es sich in italienischem Privatbesitz. Einen unbekannten „Sitzenden jungen Mann“ hielt Egon Schiele 1912 in einer Bleistiftskizze fest (70.000/140.000). Unter den vier vertretenen Klimt-Zeichnungen stechen die Skizze einer „Lesenden oder Singenden“, um 1907, für das Fries im Brüsseler Palais Stoclet (50.000/100.000) und ein „Zusammengekauert auf einem Ruhebett sitzender Akt (Studie in Zusammenhang mit „Tod und Leben“)“, um 1908/09, hervor (35.000/70.000). Beachtlich ist die Auswahl an Blättern von Oskar Kokoschka zwischen 1913 bis 1922, darunter das ausdrucksstarke Aquarell „Kniendes Mädchen“, das den Betrachter kritisch beäugt (35.000/70.000).

          In die Hitze Südfrankreichs entführen zwei kleine provenzalische Landschaften von Auguste Renoir, um 1900, eine „Landschaft mit Olivenbäumen“ (25.000/50.000) und „Mutter und Kind auf dem Lande“ (15.000/30.000). Marc Chagall hat in seinen Bildern immer wieder Frauenfiguren schweben lassen, so auch auf drei Papierarbeiten aus dem Spätwerk: In der Mischtechnik auf Papier „Le nu sur le bouquet“ inszeniert er einen schwerelosen Akt über einem Blumenstrauß (60.000/120.000), in den Pastellen „Bethsabée“ und „Les fiancés a l’oiseau“ (Taxe je 100.000/200.000 Euro) hat die Braut – mal allein, mal mit Bräutigam – märchenhaft abgehoben. Der Kitzbüheler Alfons Walde darf in keiner Wiener Moderne-Auktion fehlen: 1922 entstand mit Tempera auf beinah quadratischem Karton sein Motiv „Kirchenstiege“ (100.000/200.000); 1945 hielt er auf kleinerem Format und in Öl den „Herbst in Tirol“ (50.000/100.000) mit einem alten Bauern fest. Ebenfalls eine Art Abgesang stellt das Bild „Bei Frost unterwegs“ dar, bei dem der Kärntner Malers Werner Berg seine unverkennbar melancholische Note anschlägt (100.000/200.000).

          Beim 19. Jahrhundert lockt am 7. Juli vor allem das Genre Landschaft. Rudolf von Alt war ständig auf Achse zwischen Wien und Rom, um besondere Orte zu aquarellieren; ein blühender Oleander bringt südlichen Flair in seinen „Blick vom Basteipavillon vor dem Stadtpalais Liechtenstein auf die Votivkirche in Wien“ von 1873 (50.000/100.000). Friedlichkeit verströmen die liegenden Kühe auf seinem Ölbild „Wolfgangsee in Oberösterreich“ (30.000/60.000). Auch der Maler Thomas Ender war viel auf den Bergen des Salzkammerguts unterwegs und hielt deren Topographie fest; sein „Blick auf Bad Ischl“, um 1828, fängt den kaiserlichen Kurort von der Anfahrtstraße aus ein (35.000/70.000). Vom dänischen Landschaftsmaler Peder Mørk Mønsted stammt ein „Frühlingstag am Waldbach“ mit schönen Wasserspiegelungen (40.000/80.000).

          Last but not least, fährt das Kinsky am 7. Juli noch 150 Altmeister auf. Das Titellos stellt eine Paradieslandschaft mit der Erschaffung Evas“ dar, das Jan Brueghel d. J. mit Öl auf eine 52 mal 72 Zentimeter große Kupferplatte malte: Während sich vorne Kamel, Leopard und Pinguin tummeln, ist im Hintergrund zu sehen, wie Gott die erste Frau aus Adams Rippe zieht (50.000/100.000).

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