Auktion im Dorotheum : Auf zum Höhenflug
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Ein luftiges Szenario von Maria Lassnig, zwei Kleinode von Renoir und ein Blick auf die tschechische Moderne: Die Auktionen mit Zeitgenossen und Moderne im Dorotheum in Wien.
Ein Leopardenfell wird zum fliegenden Teppich und schwebt mit zwei Gestalten hoch über Südamerika. Damit nicht genug, reitet auch noch eine geflügelte Figur auf einem Vierbeiner daher. Maria Lassnigs Gemälde „Wilde Tiere sind gefährdet“ bietet ein luftiges Szenario in ihrer typischen Farbpalette. Das gut drei mal zwei Meter große Ölbild entstand 1980, als die Malerin selbst zu einem Höhenflug ansetzte. Lassnig wurde damals eingeladen, den Österreich-Pavillon auf der Biennale von Venedig zu bespielen; außerdem erhielt sie als erste österreichische Künstlerin eine Professur. Das Großformat bildet nun mit der Taxe von 600.000 bis 800.000 Euro das Highlight der Zeitgenossen-Auktion am 23. Juni im Wiener Dorotheum.
Georges Mathieu zählte zu den Vertretern des Informel, welche die junge Lassnig während ihres Pariser Stipendiums Anfang der Fünfzigerjahre beeindruckten. Im Spätwerk griff Mathieu seinen gestischen Stil von damals wieder auf. Das 2,5 Meter breite Bild „Le temps a laissé son manteau“ entfaltet nicht zuletzt durch das verwendete Alkydharz eine explosive Wirkung (200.000/300.000). Aus den frühen Achtzigern stammen das aparte Warhol-Porträt der Galeristin Dorothy Berenson Blau vor knallrotem Hintergrund (350.000/450.000) wie auch Günther Ueckers gerastertes Nagelquadrat „Orange“ (280.000/380.000). Seine „Diagonale Struktur V“ aus dem Jahr 1974 setzt hingegen auf rohe Materialität (140.000/180.000). Mit Acryl in den Primärfarben schuf Imi Knoebel sein drei mal 3,7 Meter messendes Werk „Ich Nicht XI“; bei dem 2006 entstandenen Großbild dienten ihm die Hintergründe Papier und Aluminium zur Variation (200.000/250.000). Heinz Mack beschäftigte sich viel mit Farbsättigung, wovon auch sein „Großes Farblicht“ zeugt (100.000/150.000).
Zu Unrecht wenig bekannt
In der 430 Lose starken Offerte sind wieder viele italienische Werke zu finden, allerdings weniger hochkarätig als sonst. Den Auftakt macht eine 1988 entstandene quadratische Tapisserie mit bunten Buchstaben von Alighiero Boetti (260.000/360.000). „Il bello blu“ betitelte Piero Dorazio 1961 sein Hochformat, das ein gewebeartiges Muster zeigt (120.000/160.000). Von der zu Unrecht wenig bekannten Carla Accardi stammt ein Paravent aus Holz, der beidseitig mit den für die Sizilianerin charakteristischen Kürzeln bemalt ist (70.000/100.000).
Aus der österreichischen Kunst sorgt ein Rundbild von Alfons Schilling von 1962/88 für einen Tusch: Bereits Jahrzehnte vor Damien Hirsts „Spin Paintings“ bespritzte der Künstler einen von einem Motor zum Rotieren gebrachten Tondo (180.000/250.000); mit seinem alles überlagernden Schwarz erinnert das Bild an Arnulf Rainer. Von Rainer, dem früheren Weggefährten Maria Lassnigs, stammt die Übermalung „Irma La Douce“, zu der ihn 1963 wohl Billy Wilders Filmkomödie inspirierte (40.000/70.000). Vergleichsweise günstig sind weiter Kurt Kocherscheidts Abstraktionen zu haben, nun das jadegrüne Ölbild „Chinesische Mitte I“ (25.000/40.000).
Der Reigen der Klassischen Moderne am 22. Juni wird, passend für die Zeit der Pandemie, von einem Totentanz angeführt: Albin Egger-Lienz schuf sein Memento-mori-Motiv in vielen Varianten. Die jetzt aus den Vereinigten Staaten eingebrachte Version kommt marktfrisch zur Auktion; sie soll 500.000 bis 800.000 Euro bringen. Der Marsch von Bauern und Knochenmann verdankt sein freskohaftes Erscheinungsbild der Pigmentmischung mit Kasein. Satt und strahlend hingegen sind Himmelsblau und Schneeweiß in Alfons Waldes „Aufstieg der Schifahrer“ (320.000/500.000). Auch von Egger-Lienz liegt eine Landschaft vor, eine Ansicht des Kalvarienbergs in Bozen, den er um 1922 von einer leeren Terrasse aus eher wie Marokko als wie Südtirol erscheinen lässt (130.000/240.000).
Viel Atmosphäre verströmt Werner Bergs „Schlafende in der Bahn“, die sich mit geschlossenen Augen im Fenster spiegelt (70.000/120.000). Zwischen Romantik und Neusachlichkeit siedelt das OEuvre von Franz Sedlacek: so auch sein 1928 gemalter „Flüchtling“ (130.000/240.000), der nachts Reißaus nimmt. Ob das rote Hemd eine politische Anspielung ist? Der Künstler bewunderte seinen Kollegen Alfred Kubin, von dem die kleine Mischtechnik „Seltsame Fahrt“ eine Hexe mit Krähe über das Papier reiten lässt (70.000/100.000). Einfühlsame Frauenbilder auf Papier stellen Klimts Bleistiftstudie von 1904/05 zum Porträt von Margaret Stonborough-Wittgenstein (40.000/60.000) und Oskar Kokoschkas Aquarell „Mädchen mit bloßen Füßen“ von 1992 (45.000/70.000) dar.
Stillleben mit Schallplatten
Ein kleiner Auktionsschwerpunkt liegt auf Vertretern der tschechischen Moderne. So etwa bei dem Prager Künstler Jan Zrzavý, dessen „Stillleben mit drei Äpfeln“ (150.000/200.000) und „Stillleben mit zwei Vasen“ (130.000/180.000) zwar beide aus dem Jahr 1928 stammen, aber – ausgehend vom Kubismus – unterschiedliche Wege einschlagen. Tonangebend in der Prager Szene war der Maler Emil Filla; sein „Stillleben mit Schallplatten“ folgt französischen Vorbildern (60.000/80.000). Ein anderer osteuropäischer Künstler ist der Moskauer Maler Boris Dmitrievich Grigoriev, der von 1916 an ein Künstlerlokal in Sankt Petersburg dekorierte. Sein mehr als zwei Meter hohes Bild „Russisches Kabarett“ platziert zwei freizügig gekleidete Tänzerinnen oder Lebedamen, umrahmt von einem rot gemusterten Vorhang (200.000/300.000).
Zwei Kleinode von Pierre-Auguste Renoir – das Gemüsestillleben „Courgettes, tomates et aubergine“ (80.000/100.000) und eine Mädchen-Studie (40.000/60.000) – verströmen sommerliche Sinnlichkeit. Freies Spiel der Farben und Linien dominiert schließlich bei André Massons Ölgemälde „Formes de la Fécondité I“ von 1955, das bei 40.000 bis 60.000 Euro ins Rennen geht.