Art Basel Miami Beach : Die größte Kunstparty unter Palmen
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Gefragt: Kehinde Wileys überlebensgroßes, „Portrait of Soukeyna Diouf“, 2022, Öl auf Leinwand, gerahmt, bei Sean Kelly (New York) Bild: Kehinde Wiley / Sean Kelly, New York
Die Art Basel Miami Beach hat die Stadt in Florida zum kulturellen Hotspot gemacht. An ihrem zwanzigsten Geburtstag feiert sie sich selbst. Doch kann die Messe auf der Höhe der Zeit bleiben?
Wer von allem den Preis kennt, aber von nichts den Wert, ist ein Zyniker oder Narr: Mit einer Variante dieses berühmten Bonmots von Oscar Wilde beschließt Marc Spiegler als scheidender globaler Direktor der Kunstmesse Art Basel seine Eröffnungsrede auf deren diesjähriger Veranstaltung in Miami Beach – und verweist auf die Kraft der Kunst, Menschen und eine Stadt zu verwandeln. Ein wenig besinnlich darf es also werden zum Abschied, der zugleich ein Willkommen für den neuen CEO Noah Horowitz ist, auf dem größten kommerziellen Umschlagplatz für Kunst in den Vereinigten Staaten. Dort geht es natürlich um Preise und Umsätze, von denen ein paar Stunden später schon die ersten verkündet werden wie Ergebnisse eines Sportwettbewerbs.
Für sieben Millionen Dollar hat die internationale Megagalerie Hauser & Wirth ein Spätwerk des abstrakten Expressionisten Philip Guston verkauft; etwa die gleiche Summe zahlte der Käufer eines Gemäldes von Agnes Martin der Bostoner Pace Gallery; 3,8 Millionen spielte Andy Warhols „Flowers“ dem New Yorker Galeristen Edward Tyler Nahem in die Kasse, und der Österreicher Thaddaeus Ropac konnte einen Georg Baselitz von 2020 für 1,38 Millionen an den Mann oder die Frau bringen.
So soll das Geschäft laufen auf der zwanzigsten und mit 282 Ausstellern aus 38 Ländern umfangreichsten Art Basel Miami Beach. Hier hat das in der Schweiz beheimatete Messeunternehmen 2002 den Schritt in die globalisierte Welt gewagt; es ging weiter nach Hongkong und 2022, zum krönenden Abschluss der fünfzehnjährigen Ägide Spieglers, nach Paris. Das stetig gewachsene Ganze übernimmt mit Noah Horowitz nun der Mann, der, abgesehen von einem Intermezzo bei Sotheby’s, lange in Amerika die Geschäfte der Art Basel führte.
Zu größter Zufriedenheit vor Ort: Für den Bürgermeister von Miami Beach, Dan Gelber, ist die Messe der „Lebenspartner“, mit dem seine Gemeinde nach schwieriger „Miami Vice“-Adoleszenz erwachsen geworden sei. Tatsächlich ist die Stadt rund hundert Jahre nach ihrer Gründung das Sexy-und-gefährlich-Image los und außerdem mit mehr verbunden als feierwütiger „Spring Break“-Jugend oder wärmesuchenden Rentnern: eben mit Kunst, in die die Stadt und lokale Top-Sammler mit Privatmuseen wie die Ehepaare de la Cruz oder Rubell mächtig investieren. Um die Messe als „Superbowl of Art“ hat sich eine ganze Kunstwoche etabliert, mit Partys und Ausstellungen in Fülle. Einen Glanzpunkt setzt dieses Mal der südafrikanische Künstler William Kentridge mit einer Performance im Adrienne Arsht Center.
Bei den Verkaufsveranstaltungen mischen sich Prominente unter das zahlungskräftige Publikum – etwa Pharrell Williams, der am Art-Basel-Stand von Sean Kelly aus New York vor einem der angesagten blumigen Porträts des Afroamerikaners Kehinde Wiley posiert. Der Galerist sagt, das Bild sei schon für ein amerikanisches Museum reserviert.
Ein Dutzend Satellitenmessen begleitet die Art Basel, darunter die Art Miami, die Design Miami, die Untitled Art für aufstrebende Künstler, die Veranstaltung der New Art Dealers Alliance oder die experimentelle Scope, bei der es morgens mit Strandyoga losgeht.
Erregung statt Erleuchtung will dagegen Madonna provozieren. Optisch in jüngeren Instagram-Posts kaum ihr altes Selbst, präsentiert sie bei Saint Laurent in einem Pavillon am Strand eine Schau rund um die Neuauflage ihres Skandal-Bildbands „Sex“ von 1992. Weniger aus der Zeit gefallen wirken Ausstellungen wie der Auftritt der Fotografin Anastasia Samoylova in der Dot Fiftyone Gallery, die glamouröse und unglamouröse Seiten Floridas zeigt. Auch im Urlaubsparadies Miami Beach sind letztere unübersehbar. An Bushaltestellen warten Menschen, die sozial und wirtschaftlich Anschluss suchen, und am Spülsaum des Strands vor den Luxushotels, wo nach dem letzten Sturm Sand künstlich aufgefüllt wurde, schieben Wellen allerlei Plastikmüll hin und her.
Selbst eine Kunstmesse wie die Art Basel Miami Beach im amerikanisch voll klimatisierten Convention Center findet nicht im luftleeren Raum statt. Die Zahl der extrem wohlhabenden, an Kunst Interessierten, mag aller Krisen zum Trotz größer geworden sein, doch in Zeiten drohender Rezession auch in den USA ist das keine Garantie für Wachstum. Wenn in Miami Beach die Stadt und die Messe gemeinsam erwachsen geworden sind, könnten nun die oft weniger euphorischen, mit Verantwortung verbundenen mittleren Jahre anstehen. Nachhaltiger will die Art Basel da etwa werden durch den Einsatz erneuerbarer Energien, Recycling und mit pflanzenbasiertem Catering. Aber wirklich umweltfreundlich kann man eine solche Veranstaltung immer noch nicht nennen. Darauf, dass der Kunstbetrieb klimabewusst werden muss, weisen am Preview-Tag zwei sanftmütige Aktivisten mit „The Carbon Almanach“ im Gepäck hin. Protestvandalen hätten auch keine Chance, wo nicht einmal ein Müsliriegel die Taschenkontrolle passiert. Hinter der demonstriert die Messe gleich soziopolitisches Bewusstsein und empfiehlt sich als Brückenkopf nach Südamerika.