Kunstmesse Art Karlsruhe : Süßes und Saures
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Für jeden ist etwas dabei: Besucher auf der Art Karlsruhe 2023 Bild: Lars Behrendt
Die Kunstmesse Art Karlsruhe feiert ihren 20. Geburtstag. Bald steht ein Generationenwechsel an der Spitze an: Er bietet die Chance, fällige Veränderungen anzustoßen.
Als „Erfinder“ der Art Karlsruhe und ihr Kurator gelang Ewald Schrade eine Messe, die stetig an Aufmerksamkeit und Bedeutung gewann. Mit der 20. Ausgabe verabschieden nun 207 Galeristen aus 15 Ländern den Messegründer als einen, der, selbst Galerist, die Anliegen der Branche kennt und in freundschaftlichem Umgang bediente. Ihm zu Ehren gibt eine Sonderschau in Halle 1 Einblick in Schrades Privatsammlung, deren Künstler sich teils mit denen seines Messestands decken. Vor allem Walter Stöhrers expressiv-gestische Farbfeiern funkeln hier wie dort. Ein Markenzeichen, das Schrade der Messe mitgab, sind mehr als 20 Skulpturenplätze in den Hallen; diesmal stellt die Galerie Reitz (Köln/Zürich) einen mächtigen bronzenen „Wächter“ von Jörg Immendorff (245.000 Euro) inmitten weiterer martialischer Gesellen auf. Für Aufsehen sorgt auch Fahar Al-Salihs von Yvonne Hohner Contemporary aus Karlsruhe präsentierte Installation „Cage“ aus 600 Vogelkäfigen irakischer Produktion, ein Symbol der Freiheit für alle, die aus ihrem Schutzraum oder ihren Käfigen entflogen sind.
Der jetzt anstehende Generationenwechsel in der Führung der Art Karlsruhe bietet die Gelegenheit, Konzepte zu überdenken oder neue Richtungen einzuschlagen. Dass Änderungen fällig sind, springt beim Gang über die Messe ins Auge: Diese riesige, vier Hallen umfassende Villa Kunterbunt gehört einmal aufgeräumt, finden kritische Aussteller, will sagen, die Teilnehmerzahl könnte reduziert, die Auswahl strenger gehandhabt werden. Denn mit der Devise „Für jeden etwas“ riskiert man bei einem Überhang an Mittelmaß auf Dauer das Ausbleiben hoher Qualität.
Geschmacksbildend wirken
Albert Baumgarten aus Freiburg bringt es an seinem Stand, wo Friedemann Hahns beachtenswertes Großformat „Ernst Ludwig Kirchner mit zwei Figuren“ hängt (175.000), auf den Punkt: „Wir haben nicht nur die Aufgabe, Kunst zu verkaufen, sondern auch den Auftrag, geschmacksbildend zu wirken, aber den unterlaufen wir mit diesem Überangebot an Tuttifrutti.“ Gemeint ist zu viel Beliebigkeit, zu viel Epigonales. Zum Beispiel begegnet man immer wieder Skulpturen, die von Stephan Balkenhols Holzfiguren „inspiriert“ sind. Doch ist auch das Vorbild vertreten, bei Schwarzer aus Düsseldorf wäre Balkenhols „Kleiner Mann“ im roten Hemd für 110.000 Euro zu haben.
Samuelis Baumgarte (Bielefeld) ist nach zehn Jahren zurück auf der Messe, im Gepäck ein „Weißes Nagelfeld“ von Günther Uecker (1,485 Millionen). Solche stilleren Abstraktionen lohnen die Aufmerksamkeit, etwa Willi Baumeisters humorvoller „Dialog“ zweier Chiffren, den Rudolf (Kampen) für um 100.000 Euro anbietet. Karl Hofers zartes „Mädchenbildnis“ von 1944 (195.000) bei Ludorff steht für die figurative Kunst früherer Zeit; in der unseren hat sie mit Cornelia Schleime eine würdige Vertreterin, die als diesjährige Trägerin des Hans Platschek Preises auf vielen Ständen vertreten ist, bei Ludorff mit dem Großformat „Mädchen mit Hund“ (32.000).
Wer Arbeiten auf Papier schätzt, sehe sich die Collagen von Lamiel bei Samagra (Paris) an. Aus verblichenen Textilien schafft die Französin kleine maghrebinische Reiseerinnerungen (um 3700). Papier spielt auch bei Várfok Galéria aus Budapest die Hauptrolle. Sie zeigt Zeichnungen von Françoise Gilot, darunter „Claude als Gewinner und Paloma I.“ aus dem Jahr 1951 (140.000 Dollar). Pablo Picasso, dem Vater dieser beiden Kinder, begegnet man mit Lithographien gleich daneben am Stand der spanischen Galerie Rodrigo Juarranz. Für Papierarbeiten der Klassischen Moderne sorgt zuverlässig Thole Rotermund aus Hamburg; August Mackes „Akt auf rotem Tuch“, einer bereits zweimal reservierten, ungewöhnlich großen Mischtechnik auf Velin, stellt der Galerist kleine Arbeiten des Künstlers gegenüber.
Man trifft auf viele fotorealistische Malereien, doch wenige Fotografien. Ausnahmen bilden die von Beat Wissner in klassischen Schwarz-Weiß-Aufnahmen festgehaltenen Impressionen aus aller Herren Länder bei STP und großformatige Inkjet-Prints aus Tessa Verders Serie „New Europeans“ zum Thema Migration bei Martin Mertens (je 6000). Eine noch geringe Rolle spielen technologische Innovationen auf dieser Messe in Karlsruhe, der Stadt, die immerhin Deutschlands erste Unesco City of Media Arts ist. Vorreiter darf sich hier Lars Theuerkauff nennen, der bei Tammen (Berlin) mithilfe von KI produzierte Bilder zeigt: eine faszinierende Serie auf Basis von fotografischen Tilda-Swinton-Porträts und Lucian Freuds Maltechnik (je 2900).
Blick nach Frankreich und Richtung Schweiz
Den künftigen Kurs der Art Karlsruhe bestimmt eine Doppelspitze. Neben Olga Blaß, seit 2017 Projektleiterin der Messe, wird Kristian Jarmuschek tätig. Der Berliner Galerist, Vorstand des Bundesverbandes der Galerien, Gründer der Paper Positions und der Positions Berlin Art Fair, übernimmt den Vorsitz des externen Beirats. Im Gespräch erwähnt er den Wunsch, den Wirkradius der auf halbem Weg zwischen Basel und Köln strategisch günstig gelegenen Messe zu erweitern, vor allem in Richtung Frankreich und Schweiz. Außerdem kann Jarmuschek sich eine Stärkung der Abteilung Klassische Moderne vorstellen. Was das Aufräumen betrifft, hält er sich vorerst bedeckt.
Art Karlsruhe, Messe Karlsruhe, bis 7. Mai, Eintritt 23 Euro