Kunstfälscher-Skandal in New York : Beltracchi auf Amerikanisch
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Ein chinesischer Maler aus New York soll im Zentrum des größten Skandals um gefälschte Werke der Nachkriegsmoderne stehen. Es geht um Bilder im Wert von achtzig Millionen Dollar.
Diese Geschichte spielt an zwei Schauplätzen in New York. Der eine liegt in einer ziemlich trostlosen Gegend des New Yorker Stadtteils Queens. Hier, in der 95. Straße, wo man den Lärm der Flugzeuge hört, die in Laguardia landen, wohnt der chinesische Maler Pei-Shen Qian. Die Nachbarn sehen ihn selten, auch weil er immer hinter abgedunkelten Scheiben malt. Manchmal stellt er ein Gemälde zum Trocknen in den Hinterhof, manchmal kommt ein Mann mit einem, wie die Nachbarn später einem Reporter der „Herald Tribune“ berichten, teuren Auto, der seltsamerweise keine Bilder mitnimmt, sondern abliefert.
Der andere Ort liegt in der feinen Upper East Side von Manhattan, in der 70. Straße, Hausnummer 19, dem ehemaligen Sitz der Galerie Knoedler, einer der ältesten Kunsthandlungen der Welt. 1846 wurde sie gegründet, seitdem und bis zu ihrer geradezu panischen Schließung Ende 2011 war sie eine der ersten Adressen der Kunstwelt: Noch vor zehn Jahren fuhren hier schwere schwarze Limousinen vor, Ann Freedman, Leiterin der Galerie, eine große Dame mit turbulenter grauer Lockenfrisur, empfing eine rapide wachsende Gemeinde von Sammlern, die die an den heißlaufenden Märkten verdienten Millionen in Kunst investieren wollten.
Neureiche und eine alte Galerie
Noch nie war der Bedarf an Werken der Nachkriegsmoderne so groß: Hedgefonds-Manager wie Pierre Lagrange kaufen Pollocks, Betrüger wie der Anwalt Marc Dreier, der später zu mehreren Jahrzehnten Haft wegen Betrugs und Veruntreuung von mehreren Hundert Millionen Dollar verurteilt wurde, sind auf der Suche nach repräsentativen Gemälden etwa von Mark Rothko: Die anerkannten Werte der Kunstgeschichte sollen die erfundenen Vermögen der Finanzspekulanten realer erscheinen lassen. In diesen überhitzten Tagen schaukeln sich die beiden Großfiktionssysteme der Gegenwart, die Kunst- und die Finanzwelt, gegenseitig hoch: Auch deswegen jagen die Preise für Rothko, Pollock und Kline in atemberaubende Höhen.
Als glückliche Fügung muss es der Leiterin der Galerie Knoedler erschienen sein, dass ausgerechnet in diesen Tagen eine große Sammlung unbekannter Meisterwerke, die 1994 wie aus dem Nichts auf Long Island aufgetaucht war, immer neue Arbeiten von Motherwell, Pollock und anderen Nachkriegsmodernisten auswirft.
Eine unbekannte Sammlung
Die meisten dieser Bilder kamen über die als Kunsthändlerin bis dato kaum bekannte, seit 1993 in Sands Point auf Long Island tätige Mexikanerin Glafira Rosales in den Handel. Auf Long Island, so ihre Geschichte, sei sie angeblich auf die Sammlung eines Kenners der Nachkriegskunst gestoßen, der die Werke in den fünfziger Jahren direkt bei den Künstlern erworben haben soll. Sein Sohn, der in der Schweiz lebe, wolle einige davon verkaufen, aber anonym bleiben.
Mit dieser Geschichte plaziert Rosales die Werke unter anderen über den Kunsthändler und Motherwell-Experten Julian Weissman (der mittlerweile vor Gericht landete, weil er Kunden mit erlogenen Provenienzen köderte) und über die Galerie Knoedler im Markt. Es ist eine abenteuerliche Geschichte mit vielen Unbekannten, die Rosales aber offenbar ebenso abgenommen wurde, wie die europäische Kunstwelt dem Fälscherpaar Beltracchi seine Story von der angeblichen Sammlung des Großvaters Werner Jägers glaubte.
Eine chemische Farbanalyse
Bald schon gibt es Probleme. Knoedler, Freedman und Weissman wird von der Dedalus Foundation, einer vom Künstler Robert Motherwell selbst gegründeten Stiftung, vorgeworfen, mit gefälschten Motherwells zu handeln. Dann, Ende 2011, verklagt der in London ansässige belgische Hedgefonds-Manager und Kunstsammler Pierre Lagrange, der 2007 bei Knoedler für siebzehn Millionen Dollar einen angeblichen Pollock kaufte, Knoedler und Ann Freedman, nachdem eine chemische Analyse ergeben hatte, dass die verwendete Farbe erst nach Pollocks Tod auf den Markt kam.