Youtube-Talk des Städelmuseums : Geschwätz im Rahmen des Unglaublichen
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Der Moderator Gert Scobel talkt auf Youtube für das Städel-Museum. Doch außer den Gemälden, die seine Sofagäste sind, liegt bei diesem erdachten Geschwätz nichts mehr im Rahmen.
Wie konnte das nur passieren? In diesem Jahr hat das Frankfurter Städel Museum den Grimme Online Award erhalten, eine Auszeichnung, die den guten und klugen Ideen in der digitalen Präsentation von Ausstellungen gilt. Jetzt präsentiert das Haus eine weitere Neuerung: „Talk im Rahmen“, so der Titel, eine Kunst-Talkshow, die Gert Scobel moderiert und die auf Youtube läuft. Wer die Gäste sind? Bilder aus der Sammlung. Diese werden, kein Witz, in einem Studio auf Sofas gesetzt. Seile, die zur Decke führen, sorgen dafür, dass die armen nicht nach vorne kippen und vom Polster purzeln.
Off-Stimmen sprechen, was den Gemälden angeblich so durch die Rübe rauscht. Zum Beispiel das (zornige Frauenstimme, empört): „Wir können nicht ernsthaft über meine Lebenserfahrungen als emanzipierte lesbische Frau zu Beginn des 20.Jahrhunderts sprechen, solange sich diese Möchtegern-Heilige zu meiner Rechten nicht verhüllt.“ Diese Aussage wird dem Selbstbildnis Ottilie W. Roedersteins von 1926 in den Mund gelegt, dem Werk einer Künstlerin also, die weder ballaballa war noch von Malerei keine Ahnung hatte.
Alle Klischees werden bestätigt
Echauffieren soll sie sich über Lucas Cranachs „Venus“ von 1532, eine nackte Mädchengestalt, die früher in Serie produziert wurde, weil sie den Zeitgeschmack prägte und dann traf. Die Venus (mit erotischer Stimme gesprochen, klar) gehört zusammen mit Spitzwegs Bild „Der Witwer“ (ja, wirklich in brummendem Gemütlichkeitsbariton) zu dem Talkshow-Trio, das Gert Scobel zu Fragen rund um die Emanzipation („Brauchen wir die heute noch?“) Rede und Antwort steht. Nun aber doch mal erstens: Gemälde, die „ich“ sagen, auf Sofas sitzen und mit verstellter Stimme sprechen – wer denkt sich so etwas aus?
Der einzige noch peinlichere Einfall, den sich die Autorin dieser Zeilen ausmalen kann, wäre, den sehr würdevollen Direktor des Städel Museums, Max Hollein, zu zwingen, mit Hiphop-Tanzeinlagen über Kunstgeschichte im Foyer zu rappen. Und zweitens: Ottilie W. Roederstein war eine glänzende Malerin. Ihre Werke wurden vom Städel erst vor wenigen Jahren aus dem Depot geholt und wiederentdeckt. Eines davon muss von nun an als Sprechpuppe auftreten, als nörgelnde Spießerin. Alle Klischees werden bedient, wenn Cranachs Venus auf die Anwürfe der älteren Dame antwortet: „Neidisch?“ So einfach ist es, Kunst von Frauen zu Gedöns zu machen.