Rückzug kommt nicht in Frage
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Konstellation aus Knollen auf Giotto-Blau: Andrea Büttner vor dem Entwurf eines Deckengemäldes Bild: Julia Zimmermann
Sie lässt Nonnen filmen, enttarnt Retrokitsch als reaktionär und will wissen: Wo sitzt die Scham im Instagram-Zeitalter? Ein Atelierbesuch bei der Künstlerin Andrea Büttner.
Die Klingel sei kaputt, einfach an die Scheibe des ehemaligen Ladenlokals im Altbau klopfen, hat Andrea Büttner darüber gesagt, wie man zu ihr ins Atelier in Berlin kommt. Dann taucht ihr Kopf mit dem grau getigerten Haar hinter den von Tüchern teils verhängten Schaufenstern auf, und die Künstlerin sperrt den Hintereingang ihrer Werkstatt auf. In dem lichtdurchfluteten Raum öffnen rechts im Entstehen begriffene Gemälde mit strahlendem Blau wandfüllend den Raum. Beim zweiten Hinsehen entdeckt man, dass Kartoffeln in dem monochromen, aus Giottos Fresken entlehnten Azurit schweben wie seltsam erdverwandte Himmelskörper. Links hängen auf einem gemalten Raster monumentale Schwarzweißfotografien von überwucherten Einprägungen im Boden. „Das sind die Betonfundamente von Beeten einer Gärtnerei, die Teil des KZs Dachau war“, sagt Andrea Büttner. „In ihr wurde von der SS biologisch-dynamische Landwirtschaft erforscht.“

Redakteurin im Feuilleton.
Das scheinbar Heile, Ursprüngliche, Natürliche und Gesunde, hinter dem sich das Grauen einer menschenverachtenden Blut-und-Boden-Ideologie verbirgt; die Umkehr von Oben und Unten; die Aufdeckung von normativ Verborgenem oder schamhaft Verstecktem; die Lebenskunst und Lebenslast des Rückzugs vor den Blicken der bis zur Obsession auf Sichtbarkeit getrimmten Welt, wie sie in Klöstern praktiziert wird – aus solchen zu Themenkreisen sich weitenden Beobachtungen und Reflexionen wächst das Schaffen der 1972 in Stuttgart geborenen Andrea Büttner, die sich mit ruhiger Kraft in den internationalen Kunstbetrieb vorgearbeitet hat.
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