Pariser Ausstellung „Ex Africa“ : Die Verflechtung der Welten
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„Ex Africa“ nimmt eine neue Perspektive ein. Die Ausstellung im Quai Branly geht der Frage nach, wie Künstler seit den achtziger Jahren, ob sie nun aus Afrika oder aus westlichen Ländern stammen, die afrikanischen Einflüsse in ihrem Werk verwenden und gegebenenfalls neu beleben. Dem Dresdener Künstler A.R. Penck kommt im ersten Raum mit drei monumentalen Gemälden – darunter „Triptychon für Basquiat“ von 1984 oder „The Man, The Woman, The Lion und die Tiere am Wasserloch“ von 1989 – die eher unbequeme Rolle zu, die Positionen eines nachmodernen Primitivismus zu resümieren. Mit Versatzstücken des sogenannten Wilden, mit Krokodil, Löwe und möglichst obszönen Figuren, oder der Stilisierung als afrikanisch identifizierbarer Formen wandte sich eine energievoll figurative Bewegung gegen den Mainstream der Minimalart und Konzeptkunst.
Ein Reservoir für Ideen
Auch in Werken von Bertrand Lavier oder Jean-Michel Alberola bilden die afrikanischen Einflüsse ein Reservoir, aus dem die Künstler formale Ideen schöpfen, wobei ursprüngliche Bedeutungen verlorengehen. Jake und Dinos Chapman meißeln das Konsumverhältnis direkt in ihre ironische Installation hinein. Eine museal inszenierte Gruppe von pseudoafrikanischen Statuetten, Masken und Figurinen trägt hinterrücks die Insignien der Fastfood-Kette McDonald’s. Sie trägt den Titel „The Chapman Family Collection“ (aus dem Jahr 2002).
Im zweiten, größeren Teil der Ausstellung wird unter den Stichworten „Metamorphosen“ und „Aktivierungen“ eine Wiederbelebung afrikanischer Objekte und Formen unter Beweis gestellt. Annette Messager zeichnet mit „12 totemische Strumpfhosen“ ausdrucksvolle archetypische Figuren an die Museumswand. In den Fotografien von Leonce Raphael Agbodjelou werden rituelle Masken zu neuen, wie lebendigen Gesichtern seiner Modelle. Gloria Friedmann mit ihren majestätischen skulpturalen Figuren oder Françoise Vergier mit phantastischen Büsten (etwa „Der Wind des Nordens sagt: ‚Denke nach‘“ von 2003) verwenden traditionelle Materialien oder Elemente eines „typischen“ afrikanischen Vokabulars. Die Verbindung mit westlicher Ästhetik lässt hier eine kulturhybride Kunst entstehen. Aus ihren Werken strahlt eine starke, fast sakrale Energie. Anhand dieser Arbeiten wird erkennbar, wie ein gegenseitig inspirierender Dialog zwischen westlichen und afrikanischen Einflüssen künstlerische Form annehmen kann, ohne zu usurpieren oder sich an einem historischen Repertoire nur zu bedienen. Ein Dialog nährt sich auch durch Fragen und Antworten. Philippe Dagen stellte allen teilnehmenden Künstlern vier Fragen, etwa nach ihrem Verhältnis zur alten afrikanischen Kunst oder ihrer Meinung zur Restitution afrikanischen Kulturguts. Die feinsinnigen, vielfältigen Antworten sind im Katalog zu lesen und tragen dazu bei, dass die Ausstellung weitere Denkanstöße gibt.
Romuald Hazoumé aus Benin ist für seine Masken aus Plastikkanistern bekannt. Für „No Return“ hat er aus unzähligen, vom Meer an den Strand geschwemmten Flip-Flop-Sohlen eine Installation geschaffen, die sich – beeindruckend – wie eine riesige geschuppte Schlange am Boden kringelt. Sie soll an die im Meer Ertrunkenen erinnern, wobei die Schlange gleichzeitig als Symbol des Lebens gilt. Der frankoalgerische Künstler Kader Attia greift mit seiner Videoinstallation „Die Verflechtung der Objekte“ die Frage der Restitution auf und lässt dabei unterschiedliche Meinungen zu Wort kommen. Die Zuschauer nehmen zwischen den Kopien von Statuetten und Masken vor der Leinwand Platz. Wiedergutmachung bedeute auch, zuhören zu können, erklärt Kader Attia zu seinem Werk. Ein wenig später schreibt er den schönen Satz: „Wir glauben, Kunstgegenstände zu sammeln und zu bewahren, aber sie sind es vielmehr, die uns aussuchen.“
Ex Africa. Im Musée du Quai Branly – Jacques Chirac, Paris; mindestens bis zum 27. Juni 2021. Der Katalog kostet 42 Euro.