Aktionskunst : Ein Minarett mit Fußball-Muster
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Darf man Minarette in Kunst verwandeln? Ein Hamburger Künstler versucht es: Im Stadtteil St. Georg hat Boran Burchhardt die renovierungsbedürftigen Türme der Centrumsmoschee abschrauben lassen - und nutzt sie für den Dialog der Kulturen.
Eigentlich sollte alles ganz anders werden. Die abblätternden Minarett-Türme der Hamburger Centrumsmoschee im Stadtteil Sankt Georg sollten von Moscheebesuchern wieder geweißt werden und so von der funktional eindeutigen Nutzung als Turm für den Gebetsausrufer – der allerdings heute von Lautsprechern ersetzt wird – in ein temporäres Kunstobjekt verwandelt werden. Doch nun sind sie abgeschraubt.
Dahinter steckt der 1973 geborene Hamburger Künstler Boran Burchhardt, der unter anderem mit einem Porsche 911 Carrera aus geschwärztem Sand, der einem Fossil nicht unähnlich war bekannt wurde (in diesem Fall war es das Material, das aus dem Auto-Mythos einen archäologischen Fund für künftige Altertumsforscher machte). In seinem neuesten Projekt versucht Boran Burchhardt, Kunst im öffentlichen Raum neu zu denken, und das an einem Ort, an dem man keine große Bereitschaft vermutet, sich auf Gegenwartskunst einzulassen: Er gestaltet die Minarette so, dass sie auf doppelte Weise lesbar werden: Während das plakative Ornament, das derzeit aufgebracht wird, Betrachter aus dem westlichen Kulturkreis sofort und allein an das Muster eines Fußballs denken läßt, ist es für den Muslim ein religiöses Symbol. Es ist kein Fünfeck-, sondern ein Sechseckmuster, welches die weißen Türme bedeckt und damit auf ein jahrhundertealtes Zeichen für den Islam anspielt. Die Farbe Grün steht symbolisch für den Propheten (nach der Überlieferung war es seine Lieblingsfarbe), auch wenn der westliche Betrachter bei Grün den Rasen des Fußballfeldes assoziieren mag. Beides ist gewollt, beide Standpunkte erwünscht, sie sind Voraussetzung für den west-östlichen Blickwechsel, den Boran Burchhardt mit seinem Projekt anstrebt.
Symbolische „Orte des Lichts“
Das Werk zeigt auch den durchaus selbstironischen, humorvollen Umgang der Hamburger muslimischen Gemeinde mit ihren Symbolen. Dass dies an einem sehr prominenten Objekt islamischen Selbstverständnisses geschieht, ist bedeutsam – schließlich sind Minarette nicht nur in ihrer praktisch-liturgischen Funktion zu verstehen, sondern symbolisieren als „Orte des Lichts“ auch ein Bindeglied zur anderen Sphäre.
Vielleicht hilft, anders als bei Gregor Schneiders pathetischem Kaaba-Kubus vor der Kunsthalle, die Kunst bei dem gemeinsam mit der Gemeinde entwickelten Projekt, das am 6. September eröffnet wird, die Kunst tatsächlich, das Bild von Moscheen und Muslimen ein wenig zu verändern.