Die Geheimschrift der Bilder
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In Todesgefahr: Mendel Grossman fotografiert heimlich eine Deportation im Ghetto Litzmannstadt. Sein Assistent Ben-Menachem hält die Szene fest. Bild: Yad Vashem Archives
Eine Berliner Ausstellung zeigt, wie jüdische und deutsche Fotografen das Geschehen in den Ghettos wahrnahmen. Dabei werden selbst Propagandafotos zu Zeugnissen der Anklage.
In der mit Gedenkorten übersäten Stadt Berlin hätte Mendel Grossman längst eine nach ihm benannte Straße verdient. Mendel Grossman war ein Held des ästhetischen Widerstands gegen die deutsche Massenvernichtungspolitik im Zweiten Weltkrieg. Seit Dezember 1939 arbeitete er gemeinsam mit seinem Kollegen Henryk Ross als Fotograf im Auftrag des Judenrats im Ghetto Litzmannstadt-Łódź im annektierten Teil Polens. Grossman und Ross sollten die Arbeit der jüdischen Selbstverwaltung im Dienst der deutschen Besatzer dokumentieren. Deren Leiter Chaim Rumkowski glaubte die Bewohner des Ghettos retten zu können, indem er ihre Nützlichkeit für die reichsdeutsche Rüstungsproduktion herausstellte. Die Fotos von Grossman und Ross lieferten dafür die visuellen Belege.
Neben ihrer offiziellen Tätigkeit aber machten beide Männer heimlich Bilder vom Alltag und den Lebensbedingungen in Litzmannstadt. Sie zeigten Hinrichtungen, hungernde Kinder auf der Straße, Gesichter hinter Maschendraht, Menschen, die ihre Habseligkeiten zu den Waggons tragen, die sie in die Todeslager bringen, und andere, die für immer voneinander Abschied nehmen. Um Filmmaterial für diese Aufnahmen abzweigen zu können, hatte Ross sein Studio eigens so umgebaut, dass er mehrere Porträtfotos auf ein Negativ bannen konnte.
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