Kulturpolitik nach Corona : Wie könnte ein New Deal für die Kunst aussehen?
- -Aktualisiert am
Die Krise bietet die Chance, Kunst und Bürger wieder in ein lebendigeres Verhältnis zu bringen. Wie könnte eine nachhaltige Förderung für eine Kunst aussehen, die weniger vom Markt abhängig ist? Maximal dezentral müsste sie sein, maximale Vielfalt müsste sie fördern und maximale Autonomie – ohne Künstler in die Beliebigkeit zu entlassen. Sieben Vorschläge, die auch schon vor der Krise Sinn ergeben hätten:
1. Künstler bezahlen
Kaum ein Berufsstand wird so erfolgreich heruntergehandelt wie Künstler, die sich meist durch Nebeneinkünfte selbst subventionieren. Vielen wäre schon geholfen, würden Ausstellungshonorare zur Pflicht, wie seit einigen Jahren in Berlins kommunalen Galerien.
2. Mehrwertsteuer senken
Es ist absurd: Seit einigen Jahren werden zwar Hotelübernachtungen so günstig besteuert wie Bücher und in Kürze auch Restaurantbesuche. Aber für Kunstverkäufe gilt seit 2014 der erhöhte Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent. Alle Galerien ächzen unter dem Wettbewerbsnachteil, dem, wer kann, durch Verkäufe im Ausland entgeht. Dabei ist bei einem Jahresgesamtumsatz von knapp 600 Millionen im deutschen Kunsthandel weit weniger zu holen, als viele glauben.
3. Kunst sammeln
Nachhaltige Kunstförderung stützt nicht Künstler, sondern die ganze Produktionskette – und damit die Beziehungen, in denen Kunst entsteht. Zuletzt hat der Staat vor dem Kunstmarkt mit seinen entfesselten Preissteigerungskurven kapituliert. Mit bescheidensten Ankaufsetats hat der Staat faktisch aufgehört, Kunstgeschichte zu schreiben. Und sich in die Abhängigkeit von privaten Künstlern, Galerien und Sammlern begeben. Der Rückzug des Mäzens Friedrich Christian Flick aus dem Hamburger Bahnhof führt das schmerzhaft vor Augen. Dabei sind Ankäufe die nachhaltigste Form der Kunstförderung: Sie erreichen die Galerie, die Künstler durch Investitionen aufgebaut hat, die Künstler, deren Mitarbeiter und Zuarbeiter und die Rahmenbauer. Vor allem aber versetzen Ankäufe Staat und Bürger in die Lage, die Kunst der Gegenwart für die Zukunft abzubilden statt nur deren Markt, Kunst als gesamtgesellschaftliches Projekt zu begreifen und an den Preissteigerungen, die staatliche Ausstellungen befördern, selbst teilzuhaben.
4. Arbeitsräume sichern
Auch vor dem Immobilienmarkt hat der Staat zuletzt kapituliert. Mit der Folge, dass unschätzbare Investitionen an Privatinvestoren fallen, wie die gemeinschaftlich betriebene Ateliergemeinschaft Uferstudios in Berlin an die Samwer-Brüder. Hätte das Land Berlin mitgeboten, hätte es sich viele andere Förderinstrumente sparen können. Um zu vermeiden, dass Künstlerförderung direkt an Vermieter fließt, müssen Städte und Länder Immobilien sichern.
5. Stipendien
Anders als in den dreißiger Jahren ist künstlerische Arbeit heute oft nicht mehr werkförmig und damit auch nicht über Verkäufe zu finanzieren. Graswurzel-Institutionen bringen Künstler und Klimaforscher zusammen wie der kleine Berliner Projektraum Trust oder stärken einen kosmopolitischen Blick auf Folgen des Kolonialismus wie Savvy Contemporary. Fördert man kleine wie große Institutionen durch Stipendien, unterstützt man zugleich deren Arbeit wie die der Künstler. Und gibt die Entscheidung darüber, wer wofür Geld bekommt, in die Hände erfahrener Fachleute. Künstlerstipendien allein aber genügen nicht, um das Ringen um Kriterien und Werte neu zu beleben und Künstlern wie Publikum neuen Ehrgeiz zu induzieren. Dafür müsste man auch freie Kunstkritiker mit Stipendien ausstatten, die bisher von ihrer Arbeit kaum leben können.
6. Bürger einbeziehen
Das von der Bundeskulturstiftung geförderte Projekt „Neue Auftraggeber“ stellt das Mäzenatentum vom Kopf auf die Füße: Es hilft Bürgern, ihre Anliegen zu formulieren, und findet Künstler, die sie umsetzen: sei es ein Park, ein Gebetsraum oder ein Wasserspielplatz. Bürger fühlen sich gefragt, entwickeln Gemeinsinn, und Künstler müssen neu auf Bürger zugehen. Der Ansatz ist beliebig skalierbar. Entscheiden sich dagegen Vermögende, Künstler durch Arbeitsstipendien zu unterstützen, könnte auch hier der Staat mit Zuschüssen helfen.
7. Preise
Preise erreichen nur wenige. Aber je prominenter sie sind, desto mehr beleben sie Anteilnahme an und Streit über Kunst. Europäische Kunstpreise könnten ein erster Schritt sein hin zu einer stärker transnationalen Kulturpolitik, die aus einem Wirtschaftsraum einen Hoffnungsraum macht.