Anton v. Werner in Saarbrücken : Eiserner Kanzler in Gold
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Auf dem Bildzwilling zur „Proklamation des Kaiserreichs“ akklamieren Bürger, Bäcker und Metzger
Je zwei flankierende Generäle wie Moltke und teils auch fürstliche Befehlshaber der Armee in preußischblauen Uniformen schlossen die Längswand mit diesen spektakulären Neuinterpretationen eines königlichen „Adventus“ in der Stadt ab. An der Stirnwand folgte das Hauptbild der Ausstellung, eben „Die Erstürmung der Spicherer Höhen“ am brütend heißen 6. August 1870. Unter hohen Verlusten eroberten die Preußen die Anhöhe und konnten dadurch die zahlenmäßig erheblich überlegenen französischen Truppen in die Flucht schlagen.
Von Werner aber zeigt keinen einzigen Franzosen, keinen Kampf oder gar blutiges Gemetzel, dafür wie in Zeitlupe drei unterschiedliche Stadien von Tod als in damaliger Sicht notwendiger Voraussetzung für den Sieg. Im Zentrum des Bildes werden die Hauptfiguren, der deutsche Generalmajor Bruno von François und ein Trompeter, von einem unsichtbaren Gegner getroffen und im nächsten Moment fallen. Davor hält ein Sterbender mit letzter Kraft seine Hand mit Bajonett Richtung Gipfel, während links im Vordergrund hinter einem Wildrosenbusch ein schon fahler Toter liegt. Jedes Gesicht ist individuell, nach ausgedehnten Studien gegeben, so dass der Szene auch der Charakter eines Memorialbilds eignet.
Von Werner, der 1915 zweiundsiebzigjährig verstarb, hielt bis zuletzt als Präsident der Berliner Kunstakademie am genauen Studium der Natur und großer Vorbilder fest, was seinen Opponenten Max Liebermann und weitere Künstler zur Gründung der Secession trieb. Auch heutzutage ist er bei vielen als angeblicher Verherrlicher des preußischen Militarismus und Bebilderer des Kaiserreichs, als malender Heinrich Mann’scher „Untertan“, nicht wohlgelitten. „Die Erstürmung“ kann dies mindestens in Teilen revidieren: Ohne Beschönigung zeigt sie den Tod, der jugendliche Soldat in der rechten unteren Bildecke hat sogar Tränen in den Augen, und das sicher nicht vor ungezügelter Siegesfreude.
Auch die „Victoria“ der Saalstirnseite, die von Werner der Stadt außerhalb seines Auftrags schenkte, wartet mit Sonderikonographie auf: In der antik-römischen Geste der „Dextrarum iunctio“ reichen sich unter der Siegesgöttin der bayerische Regent und der preußische König die Hände, beide als Germanen wie Hermann der Cherusker verkleidet. Aus dem Hintergrund streckt ein fahler Soldat noch im Sterben seine Hand zu den beiden Feldherren, um seine Beteiligung an diesem nur gemeinschaftlich zu erringenden Sieg zu bezeugen.
Wie von Werners großes Vorbild Raffael, der die von ihm Porträtierten öfters zuerst nackt imaginierte und zeichnete, bevor er sie dann züchtig bekleidet auf die Leinwand brachte, überraschen unter den vielen zu sehenden Vorzeichnungen höchster Qualität auch die beiden splitternackt porträtierten „Germanen“, die – nur mit dem bayerischen und dem preußischen Helm bekleidet – unfreiwillig komisch wirken. Stehen die beiden aber in der Vorstudie noch auf der Trikolore, hat von Werner im fertigen Saarbrücker Bild jeden triumphalen Gestus gegenüber den besiegten Franzosen getilgt - der nord- wie der süddeutsche Heerführer stehen auf einer römischen Legionsstandarte und betonen so im Bismarck’schen Sinn deutsche Eigenständigkeit statt einer starken romanisch-ultramontanistischen Prägung wie in Frankreich.
Solange dieses schon vollständig aufgebaute Geschichts-Schatzkästlein im Historischen Museum noch etwas im künstlichen Lockdown-Koma verharren muss, kann man immerhin die täglich aktualisierten Restaurierungsfortschritte am Bismarck im Netz verfolgen. Die ganze Qualität dieser lange vernachlässigten Malerei jedoch muss man im Original genießen.
Anton von Werners Saarbrücker Rathauszyklus. Im Historischen Museum Saar, Saarbrücken; vom 19. März bis Oktober. Der Katalog wird im Conte Verlag erscheinen.