Russische Fresken in Gefahr : Weg mit dem alten Kram
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Kein Schutz für Russlands älteste Fresken: Was gerade in der Klosterkirche von Pskow passiert, ist ein Fiasko. Restauratoren werden dort nur noch als Gäste geduldet.
Russlands älteste Fresken, die Restauratoren in der Mariä-Geburtskathedrale des Snetogorski-Klosters von Pskow aufdeckten, sind nach der plötzlichen Übereignung des Gotteshauses an die dort eingezogene Nonnengemeinde in akuter Gefahr. Die um 1313, zwei Jahre nach dem Kirchenbau, entstandenen Wandmalereien haben einen Brand im 16.Jahrhundert und spätere Übertünchungen überstanden. Sie gelten, da die hundert Jahre älteren Fresken des nahe gelegenen Miroschski-Klosters noch byzantinisch sind, als frühestes Denkmal der Pskower Sakralkunst.
Dargestellt ist neben alttestamentarischen Propheten und Mariä Geburt die Gottesmutter, wie sie mit der Hand auf den thronenden Christus deutet, der den neuen Bund mit Gott vergegenwärtigt. Des Weiteren gibt es eine Darstellung des Jüngsten Gerichts. Auf ihr sieht man die Gerechten im Paradies, darunter den guten Schächer, während gegenüber Sektengründer wie Arian und Nestor und christenfeindliche Herrscher wie Julian Apostata im Höllenfeuer leiden. Über ihnen kommt, den kleinen Astralkörper der Judasseele im Arm, Satan auf einem doppelköpfigen Ungeheuer angeritten. Für russische Kunstenthusiasten ist das Werk „unsere Scrovegni-Kapelle“.
Fresken ohne rechtlichen Status und Schutz
Die Kathedrale gehörte bis jetzt zur Pskower Museumsverwaltung. An der Freilegung und Fixierung der Farbschichten, deren empfindlichste Teile schon verlorengegangen sind, arbeiten Restauratoren seit 1909. Doch vor zwei Jahren trat das von Kunsthistorikern heftig kritisierte Gesetz in Kraft, wonach Gebäude mit sakraler Bestimmung religiösen Gemeinden zu übereignen sind. Nach wiederholten Anträgen der Klosterfrauen, unter deren Regie das Gelände eifrig ausgebaut wird, unterzeichnete der Museumsdirektor jetzt ein Abkommen mit der Liegenschaftsbehörde, das die Kirche den Nonnen zuspricht.
Die Restauratoren, die gerade die Dokumentation der Fresken vollenden und danach die Sicherung der Fresken in Angriff nehmen wollten, wurden nicht konsultiert. Sie sind von ihrer Aufsichtspflicht entbunden. Da in den Dokumenten nur von der Immobilie, nicht von den Wandmalereien die Rede ist, sind diese jetzt ohne rechtlichen Status und Schutz.
Die Pflege der wenigen erhaltenen altrussischen Kulturdenkmäler leidet nicht zuletzt unter dem politischen Machtstreben und Immobilienhunger der orthodoxen Kirche. Mit den kulturellen Unterhaltspflichten, die der Staat abzuwälzen versucht, will die Kirche sich nicht belasten. Der für Pskow zuständige Metropolit Jewsej und die Snetogorsker Äbtissin Ljudmila erklärten mehrfach, das „alte Zeug“ an den Wänden der Geburtskathedrale solle man am besten einfach überstreichen.
Die Nonnen, die schon seit Jahren die Kathedrale mitnutzen, hätten sich für Fresken und ihre Arbeiten daran nie interessiert, bezeugt die Pskower Restauratorin Taissia Kruglowa. Restaurierung bedeute für die Klosterfrauen, dass ihr Gebäude sauber und gottesdienstlich nutzbar gemacht werde, sagt sie. Für den spirituellen Gehalt und die theologische Botschaft der mittelalterlichen Gemälde seien katholische Geistliche, die hier zu Besuch kommen, paradoxerweise weit mehr empfänglich.
Die Restauratoren werden nun nur noch als Gäste geduldet. Um die mittelalterliche Klosterkirche kreisen tonnenschwere Baufahrzeuge. Ein von Restaurator Wladimir Sarabjanow erst vor drei Jahren befestigter Abschnitt des Malgrundes bekam jetzt Risse. Sarabjanow ermahnt Staat und Kirche, die Geburtskathedrale von Fachleuten und Geistlichen gemeinsam verwalten zu lassen, wie es im benachbarten Miroschski-Kloster erfolgreich geschieht; mehr als dieser Appell bleibt ihm nicht.