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Documenta 15 : Kassel als „urbanes Habitat“

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Dürfen wir vorstellen, die Herren und Damen Kuratoren: Ajeng Nurul Aini, Farid Rakun, Iswanto Hartono, Mirwan Andan, Indra Ameng, Ade Darmawan, Daniella Fitria Praptono, Julia Sarisetiati und Reza Afisina. Bild: Gudskul / Jin Panji

Bitte wer soll die nächste Documenta kuratieren? Ein Kollektiv aus Indonesien? Von Ruangrupa hat bislang kaum jemand gehört.

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          Hätte jemand einen Witz machen wollen über die Documenta, deren letzte Ausgabe mehr Rechthabereien und identitätspolitische Demonstrationen versammelte als Herausforderungen an die Kunst, deren Verantwortliche mit zugedrückten Augen ein Millionendefizit riskierten und nicht abwendeten und deren Geschäftsführerin Annette Kulenkampff vom damals neuen Kasseler Oberbürgermeister einer Sündenbockkampagne ausgeliefert wurde, der hätte einfach nur sagen müssen: Die nächste Ausgabe wird von einem zehnköpfigen indonesischen Kollektiv kuratiert, das keiner kennt und das die Documenta und deren Geschichte kaum kennt.

          Nun wird aber, wie am Freitag die neue Geschäftsführerin Sabine Schormann ankündigte, die nächste Ausgabe tatsächlich von einem indonesischen Künstlerkollektiv kuratiert, das keiner kennt und das die Documenta und deren Geschichte kaum kennt. Und da bleibt erst mal nichts, als die Entscheidung der achtköpfigen Findungskommission hinzunehmen und herauszufinden, wer Ruangrupa ist. Dass sie nämlich 2016 das Kunstfestival Sonsbeek im niederländischen Arnheim kuratierten, war irgendwie nicht zu uns durchgedrungen; vielleicht, weil Ruangrupa keine transportablen Symbole produzieren, sondern jeweils am Ort schauen, was „die Menschen brauchen“.

          Gibt es sie, die „beste Kunst“?

          So setzten sie sich auch gegen die anderen neun Finalisten nicht mit einem Konzept durch, sondern, wie es bei der Pressekonferenz hieß, mit einer „Einladung“. Eine Einladung beantworteten sie also mit einer Einladung. Dann sprachen sie vom „urbanen Habitat“. Aus einer Stadt machen sie also eine Stadt. Auf unsere Frage, wie sie der vielleicht konservativen Erwartung begegnen wollen, in Kassel die beste Kunst zu sehen, antworten sie schlagfertig: „Glauben Sie, dass es die gibt?“

          Uns bleibt, darauf hinzuweisen, dass die Überantwortung einer großen Kunstausstellung an ein Kollektiv keine revolutionäre Geste ist, sondern eine Geschichte hat. Die Manifesta wurde 2010 von drei Kollektiven kuratiert. Und es bleibt daran zu erinnern, dass auch die Ersetzung ästhetischer durch soziale Fragen eine Geschichte hat. Sie reicht von den sechziger Jahren über die Suppenkücheninstallationen der neunziger Jahre zur letzten Documenta. Und nur selten setzt sie die Privilegien des Kunstraums nachhaltig ein. Öfter verschleiert sie sie. Zuletzt bleibt zu hoffen, dass die hochsympathischen Leute aus Jakarta uns auf ganz neue, nie da gewesene Fragen bringen.

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