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Kunst der DDR : Die Harten im Garten

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Datsche in Reichenbach: „Gartenbild“ von Wolfgang Mattheuer von 1960.
Datsche in Reichenbach: „Gartenbild“ von Wolfgang Mattheuer von 1960. : Bild: Sammlung Hasso Plattner/VG Bild-

1978 schuf er mit dem großformatigen „Sturz des Ikarus II“ ein pessimistischeres Werk. Ein Mann in einem Raumanzug fällt darin vom Himmel in eine Kraterlandschaft. Dazu passt das daneben gehängte Gemälde „Seltsamer Zwischenfall“ von 1984, das den abgestürzten Ikarus in einer Berglandschaft zeigt. Auch darin sind Gärten angedeutet.

Lokale Symptome für lokale Zustände

Diesen Gartenparzellen der DDR ist auch die Fotoserie „Potsdamer Schrebergärten“ des kanadischen Künstlers Stan Douglas gewidmet. Die Fotografien entstanden Mitte der Neunzigerjahre und zeigen den Wandel der Stadt und der Kleingartenkultur in postsozialistischen Gesellschaften. Viele der Aufnahmen sind von oben geschossen. Sie zeigen Parzellen mit den WBS-70-Plattenbauten des Neubauviertels Schlaatz im Hintergrund. Andere Fotos, die mit ihren Herbsttönen rätselhaft wirken, zeigen verlassene Gewächshäuser des Gartenbauamtes, ausgemusterte Trabanten auf Feldwegen und zerfallene Klinkerfabrikanlagen, die nach dem Mauerfall keinen Nutzen mehr hatten. Douglas’ Werke sollen, so sagt der Künstler, „lokale Symptome für globale Zustände“ andeuten. Dazu passt auch sein Film „Sandmann“ von 1995, den er in den Sets der DEFA-Studios Babelsberg aufnahm und in dem er die Traumata des ökonomischen Wandels filmisch verarbeitet. Hierbei zeigt sich: Die Kunst im Minsk ist international und reicht bis nach Vancouver, wo Douglas 1960 geboren wurde und lebt.

Sozialer Wandel im Potsdam: die Fotografie „An der alten Zauche“ von Stand Douglas aus dem Jahr 1994 zeigt das Plattenbaugebiet Schlaatz.
Sozialer Wandel im Potsdam: die Fotografie „An der alten Zauche“ von Stand Douglas aus dem Jahr 1994 zeigt das Plattenbaugebiet Schlaatz. : Bild: Stan Douglas

Die meisten der Werke stammen aus der Privatsammlung von Hasso Plattner, deren Schwerpunkt seit Jahrzehnten auf Kunst aus der DDR liegt. In allen Ausstellungen sollen die Arbeiten mit zeitgenössischen oder historischen Positionen in Bezug gesetzt werden. Das „Kabinett“ ist dem Format „Wechselspiel“ gewidmet. Dabei trifft ein Werk der Sammlung auf ein Werk einer anderen Sammlung. Dieses Mal stehen sich Willi Sittes „Selbstbildnis mit Tube und Schutzhelm“ von 1984 und ein Selbstbildnis der Leipziger Künstlerin Monika Geilsdorf von 1976 gegenüber. Während Sittes Bild eine Hommage an die Arbeiter der DDR ist und nackte Oberkörper zeigt, präsentiert sich Geilsdorf als muskulöse und hero­ische Kulturschaffende mit Zigarette und lässigem Blick. Bilder wie dieses suchte man in hiesigen Museen fast dreißig Jahre lang vergeblich, weil sie in den Depots verschwunden waren. Das „Minsk“ gibt ihnen nun eine neue Bühne und setzt sie subtil ins Verhältnis zur Gegenwart.

Von Treppenhaus aus ist der terrassenförmige Garten zu sehen. Auch das passt zu den Schauen, die den Garten als Rückzugsort und als private Flucht- und Gegen-Utopie zeigen. Mattheuer selbst zog es regelmäßig in sein Haus nach Reichenbach, wo er dem beengten Stadtraum Leipzigs entfloh. Dazu schrieb er 1984: „Die ganze Welt als Heimat schafft sich keiner. Aber wer die Heimat als ein Stück Welt begreift, kann ein Weltbürger sein.“

Wolfgang Mattheuer: Der Nachbar, der will fliegen; Stan Douglas: Potsdamer Schrebergärten. „Minsk“ Potsdam, bis 15. Januar 2023. Der Katalog kostet 38 Euro.

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