Mithras-Kult in Frankfurt : Ein Stier kommt uns hier nicht über die Schwelle
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Harter Kerl: Die Mithrasstele aus Basalt aus dem Mithräum III von Nida zeigt die Felsgeburt des Gottes. Der Inschrift zufolge hat die Stele ein gewisser Senilius Carantinus, Bürger aus Metz, dem Gott Mithras geweiht. Die byzantinischen Kaiser sollten später die Idee der Steingeborenen als „Porphyrogennetos“-Ehrentitel noch Jahrhunderte weiterführen. Bild: AMF/U. Dettmar
Um den im römischen Reich verehrten Gott Mithras ranken sich wilde Legenden. Eine Ausstellung in Frankfurt räumt mit ihnen auf.
Der Landbesitzer wollte einfach nicht. Weil der Maurermeister Werkmann, der 1826 seinen Acker umgrub und dabei massenhaft steinerne Relikte der Römerzeit ans Tageslicht brachte, dem Altertumsforscher Friedrich Gustav Habel hartnäckig den Zugang verwehrte, konnte der weder die Funde ankaufen noch deren Bergung vernünftig dokumentieren. Ein anderer Grundherr trieb es wenige Monate noch ärger, als er 150 Meter weiter westlich ebenfalls auf römische Spuren stieß und Habel erst dann die Grube inspizieren ließ, als er alles weggeschafft hatte, die Steine so gut wie die übrigen Funde.
Zeitgenössische und spätere Forscher hätten sehr viel darum gegeben, wenn sich die beiden Eigentümer in der Gegend von Heddernheim, das 1910 in Frankfurt eingemeindet wurde, damals zugänglicher gezeigt hätten. Denn was 1826 auf dem Gebiet der alten Römerstadt Nida ans Licht kam, waren unter anderem die Reste zweier Heiligtümer, geweiht dem geheimnisvollen Gott Mithras – aus einem von ihnen konnte immerhin ein charakteristisches Steinbild von seltener Schönheit geborgen werden. Viel später, 1887 und 1928, wurden dann auf dem Gelände zwei weitere Mithräen entdeckt, von denen das eine wiederum ein großartiges Relief enthielt. Es wurde im Zweiten Weltkrieg zusammen mit dem Frankfurter Dominikanerkloster zerstört, aus dessen Trümmern ein zweites Mal ausgegraben und in den Achtzigern rekonstruiert. Seither ist es der Stolz des Archäologischen Museums.
Viel ging auch durchs Neue Bauen Ernst Mays verloren
Die Geschichte der vier Mithräen von Nida ist eine des Verlusts: Starrköpfige Grundeigentümer spielen darin eine Rolle, private Ausgräber, die ihre Funde schneller verkaufen, als Wissenschaftler überhaupt die Hand heben können, Kriegszerstörungen – und schließlich die Überbauung des Geländes seit Ernst May, die von der Weimarer Republik bis in die Gegenwart weitergeht.
Zugleich sind sie ein Symbol für eine Zeit, in der die Römer nördlich des Mains Fuß fassten, den Limes und ein Militärlager erbauten, das sich zu einer Stadt wandeln sollte mit allem, was dazugehört: Kastell, Thermen, ein Theater, Gräberfelder vor den Toren, ein Hafen an der Nidda und eben die Mithräen. Als die ersten beiden entdeckt und rasch auch, so gut es ging, publiziert wurden, belegten sie als zwei sehr rare Beispiele, dass der Kult dieses Gottes auch nördlich der Alpen begangen wurde – inzwischen ist das durch zahlreiche weitere Funde eine gut belegte Tatsache. Das dritte Mithräum mit seinem äußerst eindrucksvollen, drehbaren Relief befeuerte dann die Erforschung des Kults, die um 1900 natürlich von der grassierenden Orienttrunkenheit beeinflusst wurde, vor allem in der Populärkultur.
Entworfen wurde das Bild eines Geheimkults, der aus dem Osten, wohl aus Persien, ins römische Kernland drang und dort vor allem das Militär anzog. Beliebt war auch, Parallelen zum Christentum zu ziehen, das wie der Mithraskult die Wintersonnenwende als Erlösungsmoment hochhielt, und danach zu fragen, wie die Welt wohl aussähe, wenn sich nicht der friedliche Christus, sondern Mithras durchgesetzt hätte, der Gott, der auf den ihm geweihten Darstellungen meist auf dem Rücken eines Stiers kniet, dem er mit der einen Hand die Nüstern in die Höhe reißt und mit der anderen einen Dolch oder ein Schwert in den Nacken bohrt.