
Aus der Kunstwelt : Vermischtes
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Hybrid ist die Zukunft: Die amerikanische Philosophin Donna Haraway setzt sich in einem deutschen Ranking bedeutender Akteure der Kunstwelt an die Spitze.
Man kann das Feld philosophischer oder gleich allgemeiner humanwissenschaftlicher Literatur auf viele Weisen aufteilen. In einer ein wenig im Geiste von Jorge Luis Borges vorgenommenen Klassifikation könnte da auch die Kategorie vorkommen: theoretisch durchaus anspruchsvolle Werke, die man bei Erscheinen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in mehreren Exemplaren auf den Büchertischen von Kunstbuchhandlungen findet. Es ist das die Theorie, die offensichtlich im Kunstbetrieb nachgefragt wird. Und natürlich gibt es Theoretiker und Theoretikerinnen, die dort Stammrecht genießen.
Wir kommen darauf, weil die Kunstzeitschrift Monopol gerade wieder einmal ihr Ranking von Persönlichkeiten vorgelegt hat, welche die Redaktion als die wichtigsten Akteure in der Kunstwelt ausgemacht haben möchte. Denn dort ist einerseits von Theorie-Zuträgern, ohne die Verfasser ambitionierter Beiträge in Katalogen zu Ausstellungen zeitgenössischer Kunst doch aufgeschmissen wären, kaum etwas zu sehen. Andererseits ist mit der Wissenschaftsphilosophin Donna Haraway eine Theoretikerin sogar auf Platz eins gereiht.
Womit man gleich vor der Frage steht: Was hat sie, was andere Theoretiker, welche ebenso konsequent vermeintlich scharf gezogene Grenzen zwischen Naturausstattung und kultureller Formung unterlaufen und eingefahrene Hierarchisierungen zwischen menschlichen und nichtmenschlichen Akteuren außer Kraft setzen, nicht haben? Da spielt der tief in die Entwürfe der mittlerweile 77-jährigen emeritierten Professorin an der University of California eingelassene Feminismus sicherlich eine Rolle – und die immer deutlicher werdende Evokation von Hybridisierungen aller Art: nicht nur zwischen Mensch und Maschine, wie in ihrem frühen „Cyborg Manifesto“, sondern auch zwischen den Geschlechtern – queerer geht’s schwerlich – und nicht zuletzt zwischen den Spezies, zwischen Tieren und Menschen. Ein großes Miteinander vermischter Lebewesen soll schließlich unsere Zukunft auf diesem Planeten gerade noch und mit knapper Not retten.
Und weil in solche Szenarien nicht nur viel Lehrreiches einfließt, sondern sie auch überaus bildkräftig, spekulativ übermütig und mit einer guten Portion Witz geschrieben sind, ist man über die Wahl dieser Philosophin auf den Spitzenplatz, wie immer sie konkret ausgehandelt worden sein mag, wenig überrascht und auch irgendwie beruhigt. Mit Habermas haben wir da schließlich nicht gerechnet, und es muss ja nicht immer Postkolonialismus sein – wiewohl Bénédicte Savoy und Felwine Sarr pflichtschuldig auf Platz neun untergebracht sind –, es geht auch noch größer. Wohin es Kunstkataloge von Format ohnehin zieht.