Kunstfälscher-Prozess : Das Schicksal korrigieren
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Im Fall Beltracchi sind die Urteile gesprochen worden. Vieles bleibt dunkel. Was sind die Konsequenzen für die Kunstwelt? Und welche Wahrheiten kommen noch ans Licht?
Als fast alles vorbei war, hatte der Hauptangeklagte Wolfgang Beltracchi das letzte Wort. „Danke“, sagte er, „dass das alles so fair und locker hier war“; der rheinische Humor des Richters Kremer habe ihm gutgetan, „es wurde sogar gelächelt“, auch wenn er „dahinter das Schwert aufblitzen sah“. Das war am vergangenen Freitag, und tatsächlich hatte der Prozess teilweise starke Züge einer Kriminalkomödie angenommen, in der die Sympathien dem Hauptangeklagten, der seit 1975 weit mehr als siebzig Kunstwerke der Avantgarde und der Klassischen Moderne gefälscht, in den Markt gebracht und damit Millionen verdient hat, nur so zuflogen.
Gestern nun hat Richter Wilhelm Kremer, der den größten Kunstfälscherprozess seit 1945 mit einer außerhalb des Rheinlands undenkbaren Mischung aus Kompetenz und urkölnischem Humor leitete, das Urteil gesprochen: Wolfgang Beltracchi bekommt sechs, seine Frau Helene vier, Beltracchis Komplize Otto Schulte-Kellinghaus fünf Jahre; Helenes Schwester Jeannette Spurzem bekommt ein Jahr und neun Monate auf Bewährung. Sie muss nicht ins Gefängnis, die anderen nur nachts; die Strafe wird im offenen Vollzug abgesessen.
Das Urteil war keine Überraschung, sondern das Ergebnis einer sogenannten Verständigung. Der Deal lautete: Die Angeklagten gestehen in vierzehn aus fünfundfünfzig bekannten Fällen von schwerem bandenmäßigen Betrug, dass sie mit gefälschten Meisterwerken der Moderne gehandelt haben, und bekommen dafür rund ein Drittel Nachlass auf die Strafe. Warum dieser Deal? Die Staatsanwältin Kathrin Franz hat zusammen mit den Ermittlern der Kriminalpolizei in Berlin eine eindrucksvolle Arbeit geleistet: Sie hat Erkenntnisse zusammengetragen, die reichen, große Teile des Kunstmarktsystems in die Luft zu jagen - wenn nicht ausschließlich diejenigen auf der Anklagebank säßen, die seine Sicherheitslücken und seine Gier nach „marktfrischen“, gut verkäuflichen Meisterwerken ausnutzten.
Andererseits war es, sagt Staatsanwältin Franz, vor Beltracchis Geständnis nicht einmal zu beweisen, dass er alle Bilder selbst gefälscht habe, was für sie auch heute manchmal noch schwer vorstellbar sei (Beltracchi tippt sich hier, man könnte das auch als Kompliment lesen, verblüfft an die Stirn). Und es wäre schwer gewesen, in einem mühevollen Indizienprozess die Mauer des Schweigens zu brechen, hinter der sich alle anderen Beteiligten verschanzen: Der Pariser Kunsthändler Jacques de la Beraudière ließ mitteilen, er denke nicht daran, in Köln als Zeuge auszusagen.
Einfache Verfahren
Auch Marc Blondeau, der zahlreiche falsche Max Ernst und einen falschen Campendonk in den Markt brachte, hatte offenbar kein gesteigertes Interesse daran, Details und weitere Verflechtungen seines Systems offenzulegen: die Deals im Freilager, die Zahlungen von Schweizer auf andorranische Konten, das hohe Risiko, das er einging, als er sich Geld lieh, um die Werke von den Beltracchis zu kaufen, die nur eine Mindestsumme für die Gemälde verlangten; Blondeau verkaufte sie dann deutlich teurer. So bezahlte er für den angeblichen Campendonk 590000 Euro an Beltracchi - und vermittelte ihn für 830000 Euro an die von Werner Spies beratene Sammlung Würth weiter.