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Steile Stele: Lutz Fritschs „Standortmitte“ im Verteilerkreis in Köln. Man sieht, dass die Baustelle auf der Bonner Straße schon bis an die Verkehrsinsel herangerückt ist. Trotzdem wurde der Künstler offiziell erst im Januar über die städtischen Planungen informiert. Bild: Marcus Simaitis

Kölner Skulptur bedroht : Kunstgerecht wäre der Umweg

Was tut eine Skulptur im öffentlichen Raum? Sie stört, deshalb plant man lieber ohne sie. In Köln ist Lutz Fritschs „Standortmitte“ bedroht.

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          Auf der Autobahn geht es immer geradeaus, man lässt sich treiben, von Süden nach Norden, von Bonn nach Köln. Dann muss man sich entscheiden und sich einordnen. Am Kölner Ende geht es rund. Auf dem Weg in die Stadt wird der Verkehrsstrom von einem Verteilerkreis reguliert. Das Innere des Kreises ist mit Rasen bedeckt. Ein paar Bäume sind dort gewachsen, und derzeit blühen die ersten Osterglocken. In der Mitte des Kreises erhebt sich eine knallrote Stange. Sie ist sehr hoch, so hoch, dass man ihre Maße mit dem Auge kaum abschätzen kann. Es sind exakt fünfzig Meter, bei einer Breite von nur neunzig Zentimetern. Der Kölner Bildhauer Lutz Fritsch hat die Säule aus lackiertem Stahl im Jahr 2008 hier aufgestellt und seinem Werk den Titel „Standortmitte“ gegeben.

          Patrick Bahners
          Feuilletonkorrespondent in Köln und zuständig für „Geisteswissenschaften“.

          Die Skulptur präsentiert sich als Musterbeispiel der Gattung: wie gemacht, um von allen Seiten betrachtet zu werden. Man kann gar nicht anders als sie zu umkreisen. Dabei unterläuft sie freilich die Erwartung, sie werde im Wechsel der Perspektiven neue Momente ihrer Gestalt enthüllen. Fährt man einmal ganz um sie herum, bietet sie durch das Autofenster ständig denselben Anblick. Sie ragt ins Blaue und lässt die Funktionalität der Aral-Tankstelle und der übrigen für Übergangszonen typischen Zweckbauten unter sich zurück. Aber sie lädt das Auge ganz zwanglos ein, an ihr emporzugleiten, erteilt kein Himmelfahrtskommando. Sie ist ein Zeichen, das für sich steht, Emblem selbstgenügsamer Form, und ist hier doch nicht fehl am Platz. Wo der Stadtrand ausfranst und das Umland sich verdichtet, stößt man auf Schritt und Tritt auf Pfähle und Masten, Vorzeichen der Urbanität und ihres Drangs nach Höherem.

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