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Kunst und Urheberrecht : Wir sind Tarzan im Copyright-Dschungel

  • -Aktualisiert am

Der Fotoblitz schädigt besonders die älteren Kunstwerke. Selfies ohne Blitz stehen weder der Schutz der Werke, noch das Urheberrecht im Wege. Bild: dpa

Einerseits bieten Museen Selfie-Stationen an, andererseits werden Fotos untersagt. Was ist denn nun eigentlich erlaubt? Rechtsanwalt Florian Schmitdt-Gabain im Gespräch über Urheberrechte und Selfies vor Kunstwerken.

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          Fotografieren Sie in Kunstmuseen?

          Florian Schmidt-Gabain: Ja, sehr gerne. Ich fotografiere vor allem aus zwei Gründen. Zum einen sind Fotos gute Gedächtnisstützen, wenn ich mir ein Werk merken will. Zum anderen begannen meine Freundin und ich vor einiger Zeit, uns gegenseitig vor Museumswerken zu fotografieren und die gezeigte Personen auf Gemälden nachzuahmen. Wir hoffen, unsere Enkelkinder werden eines Tages Spaß an dem immer umfangreicher werdenden Album haben.

          Viele Museen scheinen dazu ein zwiespältiges Verhältnis zu haben: Einerseits bieten sie Stationen an, wo ausdrücklich Selfies gemacht werden sollen. Andererseits werden Besucher häufig in den Räumen ermahnt, dass das Fotografieren nicht gestattet sei. Was sagt das Urheberrecht dazu?

          Das Urheberrecht ist in aller Regel nicht der Grund für solche Ermahnungen. Zwar stellt das Fotografieren eines urheberrechtlich geschützten Werks grundsätzlich eine genehmigungspflichtige Handlung dar. Doch kennt dieser Grundsatz zahlreiche Ausnahmen. Unter anderem, dass Fotografieren für private Zwecke erlaubt ist. Den allermeisten Museumsbesuchern gestattet es das Urheberrecht also, Fotos zu machen. Und sobald es sich um ein Werk handelt, dessen Künstler vor mehr als siebzig Jahren gestorben ist, spielt das Urheberrecht ohnehin keine Rolle mehr. Ab diesem Zeitpunkt wird nämlich jedes Werk gemeinfrei.

          Warum aber heißt es in Museen trotzdem häufig, das Fotografieren sei verboten?

          Ein Grund für Fotografieverbote ist der konservatorische Schutz der Werke. Solche Verbote betreffen aber meistens nur das Fotografieren mit Blitz. Ein anderer, viel wichtigerer Grund für Fotografieverbote sind die Leihgeber eines Museums. Leiht ein Museum ein Werk für eine Ausstellung aus, kommt es nicht selten vor, dass der Leihgeber ein Fotografieverbot aufstellt. Ich stehe solchen Leihgeberverboten skeptisch gegenüber. Mir fällt es schwer einzusehen, was der Vorteil für den Leihgeber ist, wenn sein Werk nicht fotografiert werden darf. Hier dürften Museen in den Verhandlungen mit den Leihgebern durchaus etwas selbstbewusster auftreten und sollten nicht jedes Fotografieverbot akzeptieren, aus Angst, die Leihgabe nicht zu erhalten.

          Ist in ständigen Sammlungen das Fotografieren demnach erlaubt?

          Grundsätzlich ja. Aber auch in der ständigen Sammlung können sich Leihgaben befinden. Zudem hat ein Museum natürlich immer aus seinem eigenen „Hausrecht“ die Möglichkeit, das Fotografieren zu verbieten. Davon möchte ich den Museen aber abraten. Gerade für junge Leute gehört das Fotografieren im Museum heute einfach dazu. Und junge Besucher benötigen die Museen dringend.

          Gibt es nationale Unterschiede?

          Ja, jedes Land dieser Welt kennt sein eigenes Urheberrecht. Aufgrund zahlreicher inter- und supranationaler Abkommen ist das Urheberrecht aber im Vergleich zu anderen Rechtsgebieten sehr standardisiert. Die größten Unterschiede gibt es bei den Ausnahmen vom Urheberrechtsschutz. So ist etwa die Schutzausnahme des bereits erwähnten Privatgebrauchs in keinem Land genau gleich geregelt.

          Was passiert, wenn ich das Bild auf meinen Instagram-Account hochlade?

          Im Internetbereich ist in Bezug auf das Urheberrecht vieles unklar. Eine Art Dschungel, durch den es noch gilt, Pfade zu schlagen. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass das Hochladen eines im Museum gemachten Fotos eines urheberrechtlich geschützten Werks genehmigungspflichtig ist. Es gilt jedoch wiederum ein „Aber“ anzubringen. Und zwar ein großes, da es viele Schutzausnahmen gibt, die möglicherweise greifen.

          Florian Schmidt-Gabain ist Rechtsanwalt in Zürich und Lehrbeauftragter für Kunstrecht an den Universitäten Basel und Zürich.
          Florian Schmidt-Gabain ist Rechtsanwalt in Zürich und Lehrbeauftragter für Kunstrecht an den Universitäten Basel und Zürich. : Bild: Sanija Ameti

          Welche Schutzausnahmen gibt es?

          Private könnten zum Beispiel versuchen, sich auf zulässigen Privatgebrauch zu stützen oder die Aktualitätsausnahme in Anspruch nehmen. Diese sagt, dass es gestattet ist, ohne Genehmigung urheberrechtlich geschützte Werke zu verwenden, wenn man über ein aktuelles Ereignis berichtet. Bevor es soziale Medien gab, konnten sich eigentlich nur Medienhäuser auf diese Ausnahme stützen. Aber mit den heutigen technischen Möglichkeiten, ist jeder in der Lage, über aktuelle Ereignisse zu berichten. Wieso sollte sich dann nicht auch jeder auf die Aktualitätsausnahme berufen dürfen? Ich habe die Erfahrung gemacht, dass gerade ältere Kollegen von mir Nutzungen in sozialen Medien viel kritischer gegenüberstehen als ich. Den privaten Instagrammern empfehle ich aber, nicht zu viel Angst vor dem urheberrechtlichen Internetdschungel zu haben: Tarzan hat das interessantere Leben als die Maus, die sich aus Angst, gegessen zu werden, in ihrer Höhle versteckt. Als Leitschnur würde ich das kommerzielle Interesse nehmen. Lädt man etwas hoch, um damit direkt oder indirekt Geld zu verdienen, ist es eher nicht erlaubt. Ansonsten schon.

          Was ist, wenn ich ein Museumsbild mit Freunden über Facebook teile?

          Hier gilt dasselbe wie bei Instagram.

          ... oder es auf einen Schlips oder die Kaffeetasse drucken lasse?

          Davon würde ich aus Geschmacksgründe abraten. Aus urheberrechtlicher Sicht kommt es wiederum auf die Art der Verwendung des Schlipses oder der Tasse an. Will man die Schlipse und Tassen verkaufen, braucht man die Genehmigung des Urhebers. Will man nur selbst daraus trinken oder damit auffallen, darf man das auch ohne Genehmigung des Urhebers.

          Was kann mir schlimmstenfalls passieren?

          Nachdem die Ehefrau den Schlips gesehen hat, reicht sie die Scheidung ein. Im Ernst: Wer in kommerzieller Absicht genehmigungslos geschützte Werke verwendet, riskiert einiges – Schadensersatz, Gewinnabschöpfung, Buße. In besonders krassen Fällen ist auch eine Gefängnisstrafe möglich. Wer aber ein Foto eines geschützten Werks nur auf seine private Facebook-Seite lädt, riskiert auch bei konservativer Auslegung des Urheberrechts nicht viel. Außer, dass er das Foto wieder entfernen muss.

          Waren Sie schon einmal genervt von fotografierenden Museumsbesuchern?

          Nein. Da ich selbst begeistert fotografiere, muss ich ja mit gutem Beispiel vorangehen.

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