Bettina Rheims wird 70 : Reiz der Oberfläche
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Bettina Rheims 2005 in Düsseldorf Bild: Picture Alliance
Die Fotografin Bettina Rheims wird siebzig Jahre alt. Ist sie die Nachfolgerin des französischen Érotisme? Ihr künstlerisches Werk provoziert seit jeher.
Wenn es um die Fotografien von Bettina Rheims geht, wird unweigerlich mitverhandelt, dass sie ihre Bilder, die zumeist Bilder von Frauen sind, eben als Frau macht. Darauf legt sie auch selbst Wert, wobei sie keineswegs leugnet, dass bei ihrer Arbeit die Macht im Spiel ist, die sie hinter dem Auge ihrer Kamera einzusetzen weiß. Entsprechend macht sie sich nicht zugleich zum Objekt ihrer Bildfindungen, obwohl oder vielleicht gerade weil sie selbst als Model begonnen hatte, wie das etwa ihre zwei Jahre jüngere Kollegin, die Fotokünstlerin Cindy Sherman, in ihren Rollenspielen und Maskeraden tut.
Ihre internationale Karriere setzte ein mit der Bilderfolge „Female Trouble“, die von 1979 bis 1991 entstand. Der Titel wird programmatisch für ihre weitere Arbeit, in deren Zentrum weibliche Akte stehen, in ungewöhnlichen Posen, oft anstrengenden Verrenkungen. Ihre laszive Nacktheit ist immer wieder betont durch Kleidungsstücke, die eher entblößen als verdecken. Zweifellos enttäuschen ihre Bilder gewohnte Erwartungen an erotische Fotografie, wie sie etwa ihr Mentor Helmut Newton praktizierte. Sie entkommen aber nicht dem Eindruck, auf Voyeurismus abzuzielen, trotz aller modischen Rede, sie denunzierten den routinierten „männlichen Blick“.
Madonna vor der Kamera
Immer wieder haben sich, neben den unbekannten Modellen, in den Neunzigerjahren auch Berühmtheiten wie Madonna oder Charlotte Rampling ihrer Kamera gestellt, die gefragten Models der Modewelt sowieso. Mit ihren exzentrischen Motiven hat Rheims Furore gemacht, naturgemäß auch scharfe Kritik hervorgerufen. Die Serie der „Chambre Close“ von 1991 steht dafür, in der sie junge Frauen aufwendig in malerischen Kulissen arrangiert, die mit dem Klischee des Stundenhotels spielen.
Bettina Rheims, geboren am 18. Dezember 1952 im Pariser Vorort Neuilly-sur-Seine, entstammt der Pariser Bourgeoisie als Tochter des Kunsthistorikers Maurice Rheims, der in den Siebzigern auch den Nachlass Picassos verwaltete. Es ist eine Überlegung wert, ob sich ihre Bilder in einer, eher profanen, Nachfolge des französischen érotisme betrachten lassen. Die Wertschätzung ihrer Arbeit in Frankreich fand jedenfalls einen Ausdruck, als Jacques Chirac 1995 das offizielle Porträt zu seinem Antritt als Präsident der Republik von ihr fotografieren ließ, ihn hielt sie in bester Tradition fest, in leichter Untersicht.
Eine Frau am Kreuz
Mit den Großfotos des Zyklus „INRI“ zum Leben Jesu hat Rheims 1997 ihre brisante Mischung aus Oberflächenästhetik der Werbung, wo auch ihre eigenen Anfänge lagen, und provokanter Attitüde weitergetrieben, so, wenn sie auf einem Triptychon neben einen Crucifixus eine weibliche Gekreuzigte hängt, von manchen als Blasphemie empfunden. „INRI“ kann als ein Höhepunkt gelten in ihrer Anverwandlung von „Camp“- und Subkultur, von Transgender und Transsexualität, wie zuvor in der Serie „Kim“ mit der 1992 an Aids gestorbenen Transsexuellen Kim Harlow.
Bettina Rheims ist bei ihrem Stil geblieben, der das Medium der Fotografie in eine charakteristische Form des Manierismus überführt, das gibt ihr ein Alleinstellungsmerkmal. Der irritierende Reiz ihrer Arbeiten liegt in den ambivalenten Gefühlen, die von der Perfektion der Inszenierungen ausgelöst werden. Es stimmt zu deren Bildmächtigkeit, wenn sie in einem Interview einmal sagte, dass sie, könnte sie malen, vielleicht Malerin geworden wäre. Vor einem Jahr hat Bettina Rheims ihre Sammlung, ihr Archiv, ihre Negative, Kontaktbögen und Fotografien dem „Institut pour la photographie“ in Lille übereignet. An diesem Sonntag wird sie siebzig Jahre alt.