Kurator Georg Bussmann wird 90 : Er leuchtete in dunkle Ecken
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Im Frankfurter Kunstverein am 14. Oktober 1974 : Georg Bussmann in der Mitte am Mikrofon, links neben ihm Detlef Hoffmann vom Historischen Museum, rechts sitzend Iring Fetscher. Bild: Barbara Klemm
Seine Ausstellung „Kunst im 3. Reich - Dokumente einer Unterwerfung“ war 1974 überfällig. Der ehemalige Direktor des Frankfurter Kunstvereins und ehrliche Kurator Georg Bussmann wird neunzig
Das Besondere an der Studentenbewegung war, dass sie nicht nur Studenten bewegte. Georg Bussmann war bereits 1963 über Hans Baldung Grien promoviert worden und längst Leiter des Badischen Kunstvereins, als er zum politischen Ausstellungsmacher wurde: 1970 brachte er mit „Kunst und Politik“ ein Protestpanorama von Beuys bis Staeck in den bürgerlichsten aller Kulturbetriebe. Mit seiner Wanderausstellung gelangte er dann auch selbst in den Frankfurter Kunstverein, wo er mit „Kunst in der Revolution“ eine Londoner Retrospektive auf Agitprop und Konstruktivismus in der frühen Sowjetunion adaptierte.
Selbst Ernst Bloch und Jacob Taubes riefen zum Boykott der Ausstellung auf
Zum Skandal wurde 1974 die Ausstellung „Kunst im 3. Reich. Dokumente einer Unterwerfung“: Die überfällige Beschäftigung mit Werken, die 1945 in Depots verschwunden waren, erntete Beifall von der falschen Seite, während ein Boykottaufruf Unterschriften von Ernst Bloch bis Jacob Taubes versammelte; eine Broschüre mit Installationsfotografien dokumentiert die heftige Auseinandersetzung.
Der Katalog wurde bei Zweitausendeins mehrfach nachgedruckt und hinterließ die Frage, worin sich „NS-Kunst“ und „Kunst im NS-Staat“ unterscheiden, die bis heute die Gelehrten umtreibt. Das Alltagsgeschäft bestand damals freilich in der Vermittlung „künstlerischer Positionen“, denen Bussmann viele Einzelausstellungen widmete; eine Polke-Ausstellung verwehrte ihm der Vorstand „wegen Albernheit“.
Das kann man in der kleinen und feinen Festschrift „Kunstgeschichten im Steinernen Haus“ nachlesen, wo Bussmann die Beuys-Ausstellung „Mit, neben, gegen“ als seine wichtigste bezeichnet. Sie sollte 1976 das Lehrkonzept des entlassenen Professors im Zusammenspiel mit ehemaligen Studenten veranschaulichen. Die aufreibenden Debatten dauerten jedoch bis zur Eröffnung, unterminierten die Autorität des Meisters auf halboffener Bühne und verblüfften den Kurator, der das muntere Innenleben einer Akademieklasse noch nicht kannte. Ein ordentlicher Katalog konnte so nicht entstehen, doch vertiefte das gleichnamige Buch von Petra Richter das selten gewürdigte Thema.
Im selben Jahr musste der Kunstverein auch noch das „Manet-Projekt“ von Hans Haacke verkraften, das man in Köln mit Rücksicht auf einen (auch in der Kunstwelt) mächtigen Frankfurter Bankier zensiert hatte, und es lag nahe, dass Bussmanns Laufbahn nicht in eine Museumsleitung münden würde. So erwies sich 1980 die Berufung an die Kasseler Kunsthochschule als Glücksfall, wo er weiterhin unter Künstlern arbeiten konnte. 1988 gastierte er in Hamburg in Kunstverein und Kunsthaus mit der Ausstellung „Arbeit in Geschichte – Geschichte in Arbeit“, die den bildnerischen Umgang mit dem Nationalsozialismus auslotete. Nebenbei resümierte sie die Generationseinsicht, die politische Bedeutung der Kunst nicht in der Propaganda zu suchen, sondern in ihrem Eigensinn, der auch Bussmanns wichtigste Ressource ist. Am Sonntag wird er neunzig Jahre alt.