Der Kunst-BMW von Jeff Koons : Sind das etwa Samenzellen?
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Man kann über die Tradition, immer mal wieder einen BMW bemalen zu lassen, sagen, was man will. Genauso über den Kunst-Provokateur Jeff Koons. Man muss aber zugeben: So gut hat selten mal etwas zusammengepasst. Es geht ums Erster werden.
Paris im Morgengrauen, die Straßen sind leer, nur ein Rennwagen ist da. Jogger, die an diesem Morgen am Eiffelturm vorbeikamen, sollten offensichtlich zu dem Eindruck kommen, sie säßen im Kino oder träumten noch. Das war ganz klar das Setting von Claude Lelouchs „C'était un rendez-vous“ von 1976: Nicht einmal neun Minuten dauert es da, bis ein Ferrari mit vor den Bug geschnallter Kamera einmal quer durch das menschenleere Paris bis zum Montmartre gerast ist, wo gleichzeitig die Frau eintrifft, um die es eben letztlich gar nicht geht. Wenn das faktisch den Tatbestand der Automobil- und Paris-Werbung erfüllte, dann hatte es nur zwei Schönheitsfehler: Der Eiffelturm fehlte, und der Ferrari war in Wahrheit ein Mercedes (die Federung eines Ferrari - das hätte die Kamera nicht überlebt).
Man darf davon ausgehen, dass das hier nun mit Absicht aussah wie ein Remake des Films, nur diesmal mit Turm und mit einer anderen deutschen Automarke. Es waren die ersten Fotoaufnahmen des neuen BMW Art Car, die da stattfanden, bevor es im Centre Pompidou der Öffentlichkeit vorgestellt wurde - ein M3, der das Rennen von Le Mans fahren wird. Und der Mann, der an der Karosse lehnte und lächelte, lächelte, lächelte - war das nicht? Er war es. Jeff Koons natürlich.
Man kann über die Tradition, immer mal wieder einen BMW bemalen zu lassen, sagen, was man will. Genauso über Koons. Man muss dann aber zugeben: So gut hat selten mal etwas zusammengepasst. Der Autohersteller - dessen Entschlossenheit, seiner sportbegeisterten Klientel regelmäßig mit Kunst zu kommen, eine erstaunliche Ausnahme in der Branche ist - wurde hier mit einer Lösung bedient, bei der sich künstlerische Aussage und Marketingclaims mit geradezu provozierender Glätte decken: Beschleunigung, Geschwindigkeit, Rennen, Freude am Fahren und so weiter. Das letzte Art Car war eines, das von Olafur Eliasson mit ökologischen Untertönen in Eis gepackt und stillgestellt wurde. Dahinter geht Koons nun in jeder Hinsicht weit zurück, aber das hat auch etwas Decouvrierendes. Zunächst sieht man farbige Streifen, Vektoren, visualierte Geschwindigkeit, comichaft konturierte Lavabrocken, man sieht also Grüße an die Art Cars der Siebziger, an Warhol, Stella, Lichtenstein. Alles sehr „shiny“ und „glossy“ und aus aufgeklebter Spezialfolie.
Und dann sieht man das Heck. Und dass alles noch einmal ganz anders ist, als es zunächst ausschaut, oder dass sich alles noch einmal ganz anders lesen lässt: Die Streifen kommen möglicherweise gar nicht von vorn, die kommen von hinten - sie schießen in Fahrtrichtung nach vorn. Dann wird endlich klar, was Koons meint, wenn er im Gespräch leise von der Idee des Rennens raunt, die für ihn zugleich die Idee des Lebens selbst sei. Das da sind Spermien! Bunte Spermien. Es geht ganz elementar ums Erster werden. Das deutet natürlich gleichzeitig die BMW-Niere um: zur Eizelle im Moment der Teilung. Dass Autofahrer im Grunde nichts anderes tun, als erregt den eigenen Kühlerfiguren nachzustellen, ist ihnen von Anfang an vorgeworfen worden. Koons zeigt nun: Der Begriff Auto kommt von Autoerotik. Das ist etwas, was Verkehrspolitiker, Ökologen und auch die Frau, die in Lelouchs Film auf dem Montmartre wartet, vielleicht nicht gerne hören werden. Vermutlich ist es aber wahr.