Der Architekturfotograf Karl Hugo Schmölz : Wir sind wieder wer und bauen nicht mehr schwer
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Der Kölner Fotograf Karl Hugo Schmölz hat mit seiner Plattenkamera das Wirtschaftswunder in seiner baulichen Gestalt dokumentiert. Das Rheinische Landesmuseum Bonn widmet ihm nun erstmals eine Ausstellung. Mit „Wie sich Deutschland neu erfand“ will man die Lücke zwischen August Sander und den Bechers schließen.
Auch wer viele Male an der Tankstelle in Köln-Ehrenfeld, die bis vor ein paar Jahren in der Ecke Oskar-Jäger-Straße stand, vorbeigekommen ist, so wie auf der Fotografie von Karl Hugo Schmölz hat er sie nie gesehen. Das liegt nicht an der Marke (“Rheinpreußen“), die lange ausgedient hat, sondern an dem Umgang mit der Architektur: einmal durch den Fotografen, der die Anlage, von Straßenlaternen gerahmt, als verheißungsvolle Oase der Energie aus dem Dunkel der Nacht hervorholt, und zum anderen durch die jahrelange Vernachlässigung der Bauunterhaltung, die sie um ihre helle, gläserne Eleganz gebracht hatte. So leuchtet sie, im Jahr 1952 mit einem makellos gerundeten Kassenraum und einem langen, von Neonröhren konturierten Flugdach errichtet, aus einer, wie es scheint, fernen Zeit.
Der Kölner Karl Hugo Schmölz (1917 bis 1986), der nach dem frühen Tod seines Vaters Hugo Schmölz (1879 bis 1938) dessen „Fotowerkstätte“ fortführte, hat mit der Präzision der Plattenkamera das Bild der jungen Bundesrepublik mitgeprägt. Die damals im Rheinland tonangebenden Architekten, darunter Wilhelm Riphahn und Rudolf Schwarz, Helmut Hentrich und Bernhard Pfau, versorgen ihn mit Aufträgen: Baumeister, die sich als (Wieder-)Aufbaumeister betätigen und den Neuanfang als Chance nehmen, mit den Kriegstrümmern auch den ideologisch belasteten Neoklassizismus abzuräumen. Offen und formenreich knüpfen sie an die gekappten Traditionen des Neuen Bauens an, Klarheit, Leichtigkeit und Schlichtheit sind die Ideale, mit denen sie sich gegen die grausteinerne Stadt wandten. Ganzglasfassaden und spiegelnde Materialien, frei stehende Pfeiler, weit auskragende Dächer, asymmetrisch angeordnete Fensterkreuze und geschwungene Treppenhäuser sind Ausdruck ihrer (neuen) Freiheit, die der Fotograf kunstvoll ins Bild setzt: in an der Neuen Sachlichkeit geschulten, mitunter sensualistisch überhöhten, oft raffiniert belichteten Aufnahmen arbeitet er die besonderen Qualitäten und technischen Leistungen der Architektur heraus.
Nierentische und Ford-Pavillon
Karl Hugo Schmölz porträtiert das Wirtschaftswunder in seinen baulich avancierten Erscheinungen: Er fotografiert die Rasterfassaden der Verwaltungsgebäude, ihre hellen, sauberen Sitzungsräume und die langen, schmucklosen Büroflure, die gleißenden Oberlichter der Schalterhallen und die Sitzecken mit nobel-leichten Sesseln, Nierentisch und Gummibaum, Eissalons und Cafés, Großgaragen und Autohäuser, den Messepavillon von Ford in Köln, in dem 1950 der neue Buckeltaunus - von der anderen Rheinseite winken die Domtürme herüber - in einem gläsernen Wohnraum mit weißen Stores, Topfpflanzen, Fußmatte und Galerie heimisch wird, Schaufenster und Ladenpassagen, die den rechten Winkel aufgeben, Versammlungsstätten, in denen zur Beleuchtung Sternenhimmel aufziehen oder Tropfenfäden hängen, Kinos, die den Namen „Lichtspieltheater“ oder „Filmpalast“ alle Ehre machen, und immer wieder Treppen, die mal frei schwingen und sich schier schwindelig drehen, sich dann wieder als Bühnen anbieten und zur Selbstdarstellung einladen. Menschen, die sie nutzen, aber zeigt Schmölz nicht; er verschafft der Architektur, die er dynamisiert, den großen Auftritt. Köln und das Rheinland stehen zwar im Mittelpunkt seiner Arbeit, doch sein Radius reicht bis nach Essen und Dortmund, Stuttgart und Karlsruhe.
“Wie sich Deutschland neu erfand“ überschreibt das Rheinische Landesmuseum in Bonn die Ausstellung, die den Fotografen mit fünfundsechzig zwischen 1947 und 1958 entstandenen Aufnahmen erstmals ausführlich würdigt und die Lücke zwischen August Sander und Bernd und Hilla Becher schließt. Der Titel erscheint etwas hoch gegriffen, denn die rheinische Architekturmoderne steht weder für das ganze Land, noch ist sie frei von süßlichen und restaurativen Tendenzen, auch (politische) Wendehälse mischten erfolgreich mit. Doch nicht die bauhistorische Epoche, sondern die Ästhetik des Fotografen bildet die inhaltliche Klammer, und die geht, das wird eindrucksvoll deutlich, keineswegs auf in dem Klischee des Wiederaufbaus als eines verklemmten, geschichtsverdrängenden Jahrzehnts.
An den Anfang hat der Kurator Thomas Linden drei großformatige Aufnahmen prominenter Ruinen in Köln gestellt - des Historischen Rathauses, des ihm gegenüberliegenden Spanischen Baus und der romanischen Kirche St. Gereon -, die fast wie Kulissen eines Bühnenbilds anmuten. Doch die Ausstellung erzählt von einem kaum weniger großen Verlust, der zwischen Abbruch, Verwahrlosung, verschlimmbessernder und vorbildlicher Sanierung viele Abstufungen aufweist. In allen „Preislagen“ hat ihn das 1957 eröffnete Kölner Opernhaus von Wilhelm Riphahn abbekommen, das nach jahrzehntelanger Vernachlässigung fast dem Abriss zum Opfer gefallen wäre und nun originalgetreu wiederhergestellt werden soll. Indem sie auch eine Bilanz der Versäumnisse enthält, gerät die Schau zur Mahnung, sich deren bewusst zu werden und ihnen entgegenzutreten. So können die Fotografien von Karl Hugo Schmölz, für deren Präsentation Köln der bessere Ort gewesen wäre, noch nach mehr als einem halben Jahrhundert ihre Mission erfüllen: der Architektur zu dienen.
Wie sich Deutschland neu erfand - Fotografien von Karl Hugo Schmölz. Rheinisches Landesmuseum, Bonn; bis 28. Oktober. Der Band „Karl Hugo Schmölz: Köln - Architekturfotografien der fünfziger Jahre“, der zur Ausstellung im Verlag Schirmer/Mosel, München, erschienen ist, enthält die Mehrzahl der im Museum gezeigten Fotos, er kostet 49,80 [Euro].