Munch-Museum in Oslo : Ein Gebäude verneigt sich
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Elf Ausstellungshallen übereinander zu stapeln ist keine leichte Übung: Oslos neues, knapp sechzig Meter hohes Munch-Museum soll im Herbst eröffnet werden. Bild: Estudios Herreros
Das von dem deutschen Architekten Jens Richter entworfene neue Munch-Museum in Oslo ist das größte monographische Museum der Welt. Im Herbst soll es eröffnet werden. Es wird seine Besucher herausfordern.
Norwegen ist eine wohlhabende Nation und hat doch nur einen modernen Künstler, der international bekannt ist: Munch, der berühmte Schöpfer des „Schreis“, gilt als einflussreicher und doch einzigartiger Pionier der modernen Kunst. Als er starb, vermachte er der Stadt Oslo mehr als die Hälfte seines Werkes mit der Vorgabe, dass sie es adäquat öffentlich ausstellen muss. Die Sammlung umfasst mehr als 28000 Objekte und war daher ein Danaer-Geschenk. Anlässlich des hundertsten Geburtstags des Künstlers wurde 1963 in Oslo ein Museum eröffnet, das sich im weniger wohlhabenden östlichen Teil der Stadt abseits der Touristenpfade befindet. Das Museum in Tøyen (entworfen von Einar Myklebust und Gunnar Fougner) war bei Kuratoren und Munch-Kennern gleichermaßen unbeliebt. Eine Erweiterung und Renovierung des Museums im Jahr 1994 zum fünfzigsten Todestag von Munch änderte daran wenig. Der Diebstahl des „Schreis“ 2004 schadete der Reputation des Hauses zusätzlich.
Fünfzig Jahre nach der Einweihung des Museums überraschte die norwegische Hauptstadt sich selbst und die Welt, als es ihr gelang, mit der neuen Oper, entworfen von Norwegens bekanntestem Architekturbüro Snøhetta, einen internationalen Kulturmagneten zu schaffen. In der Bucht von Bjørvika vor der Innenstadt von Oslo, nur wenige Minuten vom Hauptbahnhof entfernt, wurde der schräge weiße Marmorpalast der Oper sofort zu einem Publikumsliebling für Besucher aus aller Welt, insbesondere Kreuzfahrtpassagiere, die nur wenige Stunden in der Stadt verbringen. Der Erfolg der Oper gab der Stadt neues Selbstbewusstsein, das ihr bisher gefehlt hatte – in einer Nation, die für herrliche Landschaften bekannt ist, aber nicht für urbane Kultur. Die Oper hat die Holmenkollen-Skisprungschanze als Wahrzeichen der Stadt dennoch ersetzt.
Von Wasser umgeben
Seitdem bemüht sich Oslo, diesen Erfolg fortzusetzen, und versucht, die Oper zum Anker eines neuen Kulturviertels und damit Bjørvika zum kulturellen Zentrum Norwegens zu machen. Die Entscheidung fiel, auch die wichtigste Bibliothek der Nation, die Deichman-Bücherei, in einem Neubau neben der Oper unterzubringen und auch das Munch-Museum. Für das neue Haus, das größte Museum der Welt, das einem einzigen Künstler gewidmet ist, wurde ein Architekturwettbewerb ausgelobt, bei dem das Estudio Herreros aus Madrid den ersten Preis gewann. Das war vor elf Jahren, und das Büro war damals recht unbekannt. Die Bauarbeiten für ihr Schlüsselprojekt begannen erst 2005, da der Stadtrat in der Zwischenzeit gegen das Projekt gestimmt hatte und neue politische Mehrheiten für die Unterstützung des Mega-Munch-Museums gefunden werden mussten.
Der deutsche Architekt Jens Richter, der das Museum entworfen hat, ist ein gleichberechtigter Partner des Büros von Juan Herreros, das eigentlich „Herreros und Richter“ heißen sollte. Das Museum wird im Herbst eingeweiht: Es hat eine seltsame Kontur und Fassade: Das lange, dünne Hochhaus mit dreizehn Stockwerken ist mit einer gewellten Fassade bedeckt, die aus grauen Lochblechen besteht und irisierende Effekte erzeugt. Der auffälligste Aspekt des Neubaus ist die Gebäudespitze, die wie ein Lambda geneigt ist.
Das Museum scheint sich vor der nahe gelegenen Oper förmlich zu verbeugen. Die Architekten nennen ihre Idee eine „urbane Geste“. Die Form wurde jedoch nicht für Oslo gewählt, die Architekten verwendeten dieselbe nickende Form bereits in ihrem Entwurf für den Woermann-Komplex in Las Palmas auf Gran Canaria. In Oslo ist das Museum an drei Seiten von Wasser umgeben, nutzt aber seine privilegierte Lage am Fjord im Vergleich zur Oper beispielsweise weniger effektiv. Der Vorteil der enormen Höhe des Gebäudes besteht darin, dass die Nachbarinsel frei von Gebäuden bleiben konnte und in einen öffentlichen Platz am Oslofjord verwandelt wird.