Aussterbende Berufe im Museum : Das Ende der Bäcker und Bergbauarbeiter
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Als der Layouter noch Schriftsetzer war: Schubladen mit Bleilettern der Schrift „Helvetica“ Bild: David Ertl
Vergängliches Handwerk als Vanitas-Stillleben: eine Ausstellung in der Bonner Bundeskunsthalle widmet sich fünf Professionen, die vom Verschwinden bedroht sind.
Ob Brotkultur, Porzellanmalerei oder Flechthandwerk: Im Rahmen des UNESCO-Übereinkommens zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes gelten aktuell allein in Deutschland 131 sogenannte „lebendige Traditionen“ als schützenswert. Dass damit noch lange nicht erschöpft ist, was die hiesige Kulturlandschaft zu bieten hat, zeigt die Bundeskunsthalle in Kooperation mit dem Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung in ihrer aktuellen Ausstellung „Die Letzten ihrer Art“. Fünf gefährdeten oder bereits ausgestorbenen Professionen aus der Region setzt man darin ein temporäres Denkmal und erhebt sie so kurzerhand selbst zum Immateriellen Kulturerbe.
Von kleinen Leuten und großen Themen ist hier die Rede, Einzelschicksale werden vor der Folie von Schlagworten wie Technisierung, Digitalisierung, Globalisierung und Entkarbonisierung inszeniert. Was Fortschritt mit sich bringt, hat immer auch einen negativen Beigeschmack, so der Tenor in Bonn. Zahlreiche Ausstellungstexte weisen darauf hin, dass Traditionen im Backhandwerk und in der Textilproduktion den langen Lieferketten zum Opfer fallen, dass mit dem Steinkohleabbau die soziale Identität einer ganzen Region als „Kumpels“ abhandenkommt und dass es den Beruf der Kassiererin bald, wie den des Schriftsetzers schon jetzt, dank digitaler Neuerungen nicht mehr geben könnte. Jedenfalls nicht wie bisher vertraut.
Wenn es sich auch nicht allein um Handwerksberufe handelt, so eint die fünf ausgewählten Arbeitsfelder doch die Arbeit mit den Händen, die mit Richard Sennett bereits in der Ankündigung zum Maßstab erhoben wird. „Der emotionale Lohn für die Erlangung handwerklicher Fertigkeiten ist ein doppelter: Die Menschen sind in einer greifbaren Realität verankert, und sie können stolz auf ihre Arbeit sein“, wird der Soziologe dann auch zitiert. Anhand einer multimedialen Collage aus Dinglichkeit, historischer Fotografie, Filmmaterial und textlicher Einordnung versucht sich die Kuratorin Henriette Pleiger dieser Bedeutsamkeit von manueller Arbeit anzunähern.
Positives ist eine Randerscheinung
In teilverglasten Metallregalen, die fast bis zur Decke reichen, finden sich nach Profession sortiert Brotschieber und Backmulden, Kinderkaufläden und Registrierkassen sowie eines der letzten geförderten Stücke Steinkohle aus Bottrop. Sie stehen für individuelle Schicksale, regionale Identitäten und kontinuierlichen Fortschritt. Aber auch Unerwartetes wird ausgestellt: Ein von Lufthansa Service als Bordverpflegung für die MIR-Raumstation abgepacktes Weizenvollkornbrot mit Mindesthaltbarkeitsdatum im Jahr 1992 verweist auf ein kleines Forschungsfeld, und der als Vorreiter der „Frauenfilme“ geltende Kurzfilm „Für Frauen: 1. Kapitel“ von Cristina Perincioli aus dem Jahr 1971 verhandelt das Aufbegehren der weiblichen Belegschaft einer Supermarktfiliale. Solche Randerscheinungen tun der ansonsten klein geratenen Zusammenstellung gut.