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Malerin Ursula Schultze-Bluhm : Eine Ausstellung wie eine Kathedrale

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Lebensgroß, doch parallel zum Leben: Ursulas Holz-Skulpturen „Die beiden Wächter“ von 1986 sind 175 Zentimeter hoch, an den Rändern vergoldet sowie mit Öl und Lack bemalt. Bild: Museum Ludwig

Weiblich, lässig, aufsässig: Das Kölner Museum Ludwig huldigt der Malerin Ursula und ihren bizarren Bilderwelten

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          Nach Ursula sind in Köln eine Straße und ein Platz benannt, in der Altstadt trägt sogar eine romanische Basilika ihren Namen. Ein Meister der Ursula-Legende hat ebendiese samt Martyrium ins Bild gesetzt, zu bewundern im Wallraf-Richartz-Museum. Dabei hat jene Ursula, wie heute nachgewiesen ist, nie gelebt. Es gibt in Köln aber auch noch eine andere, eine moderne Ursula, keine Heilige, keine Märtyrerin, vielmehr eine Künstlerin, die auf den bürgerlichen Nachnamen Schultze-Bluhm hörte. Ihre Existenz in Berlin, in Frankfurt und bis zu ihrem Tod 1999 in Köln ist ausführlich belegt, nicht zuletzt durch diverse Eintragungen in den Kunstbetrieb, darunter die Teilnahme an der Documenta 6 von 1977 – wobei sie, rückblickend, in der fünften Ausgabe mit den „Individuellen Mythologien“ wohl noch besser aufgehoben gewesen wäre. Bei der „Milch der Träume“, so die Überschrift zur Hauptschau der jüngsten Biennale in Venedig, wurde sie indes glatt übersehen, obwohl diese doch ausdrücklich von Künstlerinnen dominiert wurde.

          Dokumentiert sind indes wiederum Ursulas Reisen nach Paris und New York, nach Sri Lanka, Thailand und Myanmar. So auch die Tatsache, dass der Maler Jean Dubuffet die Autodidaktin 1954 entdeckte und Arbeiten von ihrer versiert zeichnenden Hand in sein Musée de l’Art Brut aufnahm. Eine Outsiderin war sie nicht, der Eindruck aber könnte entstehen angesichts der Versessenheit auf Akribie und Detail in dem Drang, das Bild als engmaschiges Gewebe aufzubauen. Ursulas häufig betont flache Bilder stehen in dieser Hinsicht dem Œuvre der amerikanischen Künstlerin Dorothy Iannone nahe.

          Alle Übel dieser Erde: Ursulas „Der große Schrank der Pandora“, 1966
          Alle Übel dieser Erde: Ursulas „Der große Schrank der Pandora“, 1966 : Bild: Museum Ludwig

          In Köln wird ihr jetzt wenn nicht mit einer Kirche, so doch mit einer Retrospektive gehuldigt, die einer Kathedrale an Ausstellung gleichkommt. Wie weit dieses Ereignis im Museum Ludwig über das Rheinland hinausstrahlt, bekundete die „New York Times“ mit einem für diese Zeitung seltenen, ausführlichen Vorbericht. Eine Schau zum Niederknien sozusagen, wenn man denn bereit ist, sich Werk für Werk auf die kleinteilige, visuell aufsässige Bilderwelt einzulassen, insgesamt zweihundertdreißig Mal. Das erfordert (und überfordert) die Konzentration auf lange Sicht, zumal wenn man sich gleich eingangs etwas ausführlicher in die Tusche-Zeichnungen aus den Fünfzigern vertieft: träumerisch-schwebende „Gondeln im Herbst“ auf aquarellgetöntem Grund und „Gespenstische Schlossbewohner“ (die eine Verwandtschaft zu Gerhard Altenbourg aufweisen). Solche Blätter erfasst man nicht eben im Vorbeigehen.

          Ihre Malerei entspricht Meret Oppenheims Pelztasse

          Bei einem farbig orchestrierten, wiederum aus zeichnerischen Kürzeln figurierten „Vogel über Berlin“ verweben sich Kreatur und Stadt auf seltsame Weise, dann wiederum sind „Polypen unter sich“. Von hier aus ist es eine lange Wegstrecke bis zum Ende der Schau, den mit Fell versehenen Assemblagen, Altären und Pandora-Büchsen, die mit dem Abjekten spielen und auf das berühmte „Frühstück mit Pelz“ von Meret Oppenheim zurückführen, eines der denkwürdigsten Stillleben des vorigen Säkulums. Nach einem Wort des Kritikers Heinz Ohff hätte Ursula in diesem ihrem Stil all ihre Tagträume und Albträume im Mittelalter nicht malen können, ohne als Hexe verbrannt zu werden. Oder man hätte sie, wie die legendäre Namensvetterin, gepeinigt, was die moderne Ursula in den frühen Sechzigern in großen Ölbildern in Erinnerung ruft. Es ist beileibe nicht alles possierlich, was einem da an krauser Phantasie entgegenspringt: „Ein Mann sitzt am Tisch und isst sein Auge“, „Die schwarze Pest geht um“; in dem blutigen Profil eines männlichen „Versuchers“ mit erkennbar unguten Absichten hallt die Intensität eines Wols nach. Hirngespinst und Humor schlagen sich in Ursulas literarischen Ambitionen nieder, wenn sie in einem Gedicht von Vögeln spricht, „die wieder einmal lauthals zwitsch-schwatzten“, sie ihr Werk an anderer Stelle als Frucht von der „süchtigen Pracht eines Popanz“ bezeichnet.

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