Bildhauer Olaf Metzel wird 70 : Lass die Bank da stehen!
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Olaf Metzel mit Skulptur im Nürnberger Neuen Museum Bild: Daniel Biskup/Laif
Sprengsätze sind bei ihm stets mit eingebaut: Deutschlands provokantestem Sozialplastiker Olaf Metzel zum siebzigsten Geburtstag
Wie bei Michelangelo mendeln sich auch in den bildhauerischen Arbeiten des 1952 in Berlin geborenen Olaf Metzel Motive über Jahrzehnte immer wieder hervor. Mag es die prägende Jugend im noch nicht wiederaufgebauten und von Trümmerbergen durchzogenen Westberlin gewesen sein: Ragende Armierungseisen, Absperrgitter, herausgerissene Sitze und ganze Bänke waren ihm in den letzten fünfzig Jahren das bevorzugte Material – gebrauchte, ungebräuchliche, ärmliche Materialien, die er zu sozialen umformte, indem er sie auf konkrete politische Kontexte befragte.
Sein bis heute bekanntestes Werk ist „13.4.1981“ (im alles und jedes umtaufenden Berliner Volksmund nur „Randale-Denkmal“ genannt), dessen einst zwölf Meter hoch aufgerichtete rot-weiße Polizeiabsperrgitter als Readymades von einer in Zerstörung eskalierten Pro-RAF-Demonstration künden. Das Monument war Teil des Skulpturenboulevards am Ku’damm, wurde nach Protesten entfernt, 2001 neben der Universal-Music-Zentrale an der Oberbaumbrücke wieder aufgebaut und ein weiteres Mal transloziert.
Metzels ikonischste Arbeit bleibt „Auf Wiedersehen“, bei der er zur Fußball-WM 2006 für den DFB den Schönen Brunnen Nürnbergs mit tausend ausrangierten Stühlen aus dem Berliner Olympiastadion siebzehn Meter hoch verhüllte – die denkbar aggressivste Erinnerung daran, dass der Brunnen als gotische Hochkunst am Ende des „Tausendjährigen Reichs“ durch eine Betonhülle vor Annihilation geschützt wurde. Vor allem die sogenannte öffentliche Hand bewahrte Metzel mit seiner stilistischen Unberechenbarkeit bei Kunst-am-Bau-Projekten vielfach vor Einerlei oder sozialen Fiaskos. Den jüngsten Beleg für seinen steten Kampf gegen Langeweile bietet der neu erbaute Münchner Bauhausplatz in Schwabings Norden. Wie bei „13.4.1981“ türmte er hier kunstvoll sieben Meter hoch eigens gestaltete Parkbänke zu einer Brunnenskulptur auf, deren Beplankung des Nachts in bestimmten Mustern leuchtet.
Unkonventionelle Gesellschaftskritik
Auch die Gestaltung des gesamten Platzes mit Bäumen und asymmetrisch gestellten Leuchtbänken übernahm er gleich mit, wissend, der Brunnensolitär wäre andernfalls im Karree der ihn umzingelnden, geistlos neuen Investorenarchitektur nicht mehr als ein ästhetisches Feigenblatt. So aber wird, wo sonst höchstens Tauben fütternde Senioren säßen, der Campo und Bosco mitsamt den in den umgebenden Fassaden reflektierten Bänken sowohl von Müttern mit Kind als auch von der Jugend erfreulich belebt. Doch kommen Metzels Gesellschaftsskulpturen keinesfalls immer brachial daher.
Seine stilleren Arbeiten gewichten gerade durch ihre schwerelose Leichtigkeit manch schwere Gebäude um. So hat er für die Osttreppe der mit mehreren Tausend Quadratmetern Bruttogeschossfläche monumentalen Pinakothek der Moderne in München die einen Tanz in bunten Plexiglas-„Tüchern“ vollführende Säule „Reise nach Jerusalem“ geschaffen, mit der er einen Denkraum vom Ursprung des vorgeblichen Spiels in den Kinderkreuzzügen des Mittelalters bis zur Migration nach Palästina seit dem neunzehnten Jahrhundert und dem Attentat auf die Olympischen Spiele in München 1972 eröffnet. Genauso liest es sich unter seiner schmetterlingshaft leicht wirkenden Zeitungscollage im modern rekonstruierten Lesesaal der Berliner Staatsbibliothek Unter den Linden äußerst beflügelnd – obwohl die skulpturale Denkwolke über den Köpfen der Leser zwei Tonnen wiegt und fünf mal sieben Meter misst.
Gen Süden hatte es ihn schon vor Langem gezogen – von 1990 bis 2018 war er in München Professor für Bildhauerei an der Akademie der Bildenden Künste, fünf Jahre davon als Rektor. Heute feiert der Gesinnungs-Italiener in seiner zweiten Heimat in einem teilruinösen mittelalterlichen Kloster mit Blick auf den strahlend blauen Golf seinen Siebzigsten. Das einzig Konservative an Metzel im Sinne von Bewahren bleibt das Restaurieren der Quattrocentofresken dieser Abtei. Möge er noch viele Jahre darauf verwenden können!