Bilder vom Ruhrgebiet : Deutschlands Zukunft wohnt hier nicht mehr
- -Aktualisiert am
Nachschlag zur Kulturhauptstadt: Eine Fotoausstellung im Dortmunder Hoesch-Museum widerspricht dem Bildprogramm der Ruhr 2010 und zeigt das Ruhrgebiet, wie es nicht gesehen werden will.
Stahl und Stadt, das stabreimt sich. Im Ruhrgebiet stehen sie noch näher beieinander als im Alphabet. Unzertrennlich, von Anfang an. Doch nicht gleichberechtigt, vielmehr in ständiger Spannung, konfrontativ, konfliktreich. Erst war die Industrie, waren Kohle und Stahl, und die, ihre Förderung und Produktion, zogen alles weitere nach: Straßen, Kanäle, Schienen, Brücken, Arbeiter, Rohrleitungen, Verwaltungsgebäude, Siedlungen, Kirchen, Schulen, Kneipen, Sportplätze, Grünanlagen. Städtebaulicher Wildwuchs, bis heute. „Im Anfang war die Zeche“, „die Zeche gründete die Siedlung“, „die Siedlung wuchs und wurde Stadt“ - so schreibt Heinrich Hauser 1930 in „Schwarzes Revier“.
Der Stahl beherrschte und bedrohte die Stadt, kontrollierte sie, beutete sie aus. Nicht umgekehrt. Die Reihenfolge widerspricht der Regel (auch der des Alphabets): Dieses Missverhältnis bestimmte auch dann noch die Verhältnisse, als die Produktion aus der Fläche abgezogen und am Rhein konzentriert wurde. Das Hoesch-Museum in Dortmund, 2005 im ehemaligen Portierhaus der Westfalenhütte gegründet, zeigt die Ausstellung „Stahl und Stadt“ mit Fotografien von Bernd Langmack und Haiko Hebig, die dieser Beziehung nachgeht und deren Auswirkungen für Duisburg und Dortmund, die „Flügelstädte“ im Westen und Osten des Reviers, dokumentiert.
Das Ausbluten ganzer Stadtteile
In Duisburg betreibt ThyssenKrupp eines der größten Hüttenwerke der Welt, eine Stadt in der Stadt, die sich, oben im Norden, kilometerlang am Rhein entlangzieht und den Ortsteil Bruckhausen vom Fluss abschneidet. Aus einer Kokerei, drei Sinterbändern, vier Hochöfen und zwei Oxygenstahlwerken mit fünf Konvertern besteht derzeit die Thyssenhütte; im vergangenen Jahr hat sie fast neun Millionen Tonnen Rohstahl erzeugt. Die Anlage wird ständig modernisiert, ihre Produktivität immer weiter gesteigert, die Belegschaft gleichzeitig reduziert. Der Stadtteil gegenüber blutet aus, ganze Straßenzüge mit Werkswohnungen wurden bereits abgerissen.
Dortmund war lange der zweite Standort der Stahlproduktion im Ruhrgebiet, bis sie 2001 eingestellt wurde und seitdem ganz in Duisburg stattfindet. Krupp übernahm 1992 Hoesch und fusionierte später zu ThyssenKrupp. Mitte der sechziger Jahre arbeiteten bei Hoesch mehr als vierzigtausend Menschen, etwa fünfmal so viele waren mittelbar von dem Konzern abhängig. Heute gibt es hier im Kaltwalzwerk, der Feuerbeschichtungsanlage und der elektrolytischen Verzinkung noch 1400 Beschäftigte. Von den Hoesch-Warmbetrieben haben nur zwei Unternehmen der Stahlverarbeitung, eine schwere Profilstraße und das Ringwalzwerk Rothe Erde, überlebt. Konzentrationsprozesse, die das Ruhrgebiet - und die beiden Städte - aus der Balance gebracht haben. Wie sehr, wie dramatisch und mit welchen sozialen und städtebaulichen Problemen, davon erzählen die Fotografien von Bernd Langmack und Haiko Hebig.
Todgeweihte Orte