https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kunst-und-architektur/berlin-zeigt-kuenstlerinnen-aus-den-jahren-1400-1800-von-wegen-brave-musen-18763195.html

Künstlerinnen 1400–1800 : Von wegen brave Musen

Herausfordernder, kecker Blick, meisterliche Beherrschung der Technik: Auf Rosalba Carrieras Selbstbildnis in Rötel von 1708 höht die Künstlerin subtil Stirn und Wangen in Weiß und lässt die Augen gleichzeitig in zwei Richtungen schweifen. Bild: Jörg P. Anders

Sie schlugen und sie malten sich: Berlin räumt mit dem hartnäckigen Gerücht auf, es hätte in den vergangenen 600 Jahren kaum Künstlerinnen gegeben.

          4 Min.

          Dem Berliner Kupferstichkabinett gebührt das Verdienst, Frauen in der Kunst endlich aus dem klein machenden Opferstatus zu befreien. Die Ausstellung „Frauen in der italienischen Kunstwelt 1400-1800“ lässt, dem Schwerpunkt der Sammlung folgend, Künstlerinnen Italiens strahlen. Der Übertitel der Schau dagegen – „Muse oder Macherin?“ – ist rein rhetorisch: selbstverständlich Macherin!Nun krittele niemand, die Ausstellung widme sich lediglich vierhundert Jahren angesichts von Jahrtausenden der Unterdrückung und Italien sei ohnehin liberaler als andere europäische Länder (was angesichts eines noch heute zu findenden Ber­lusconi-Machismo im Bel Paese eher nicht zutrifft). Oder dass im angeblich so finsteren Mittelalter die sehr häufig Kunst schaffenden Nonnen und Äbtissinnen durchgängig unterdrückt und anonym blieben – im Gegenteil: Mittlerweile sind Tausende selbstbewusster Nennungen von Künstlerinnen aus dem Mittelalter bekannt, im Prinzip hat sich ab einem bestimmten Anspruch fast jede Buchmalerin in ihrem Werk verewigt, wie etwa die Kölner Schau „Von Frauenhand“ eindrücklich belegte (F.A.Z. vom 10. November 2021).

          Die Direktorin hat keine feministische Agenda

          Stefan Trinks
          Redakteur im Feuilleton.

          Doch verfolgt Dagmar Korbacher, Direktorin des Berliner Kupferstichkabinetts, mit der Schau, wie sie betont, keine feministische Agenda – sie will schlicht auf die oft überragende Qualität der sechshundert bis zweihundert Jahre alten Arbeiten von Frauen aufmerksam machen. Schon bei ihren ersten Depotgängen nach Übernahme des Amtes 2018 stieß sie auf eine Fülle von Werken, die ihre männlichen Kollegen vielfach in den Schatten stellen.

          Zugang zu allen F+ Artikeln 2,95 € / Woche
          Jetzt 30 Tage kostenfrei testen
          2,95 € / Woche
          Jetzt kostenfrei Zugang abonnieren?
          Mit einem Klick online kündbar
          Weiter Ja, 30 Tage kostenfrei testen
          Diese und viele weitere Artikel lesen Sie mit F+